Das Zisterzienserinnenkloster Mariensaal in Mülheim-Saarn

Kloster Saarn, Quelle: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Von: Nicola Antonia Peczynsky

Der Entstehungshintergrund

Als das Zisterzienserinnenkloster Mariensaal im heutigen Mülheimer Stadtteil Saarn kurz nach 1200 gegründet wurde, befand sich Europa in einer Zeit tiefgreifender wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und religiöser Veränderungen. Dazu gehörten u.a. eine deutliche Bevölkerungszunahme, die Intensivierung von Landwirtschaft und Handel, Städtegründungen, die Entstehung der Landesherrschaft sowie eine hohe mobile und geistige Aktivität. In diesem Umfeld entstanden veränderte Formen der Frömmigkeit, die ihren Ausdruck in der Gründung neuer Orden fanden.

Die religiöse Aufbruchstimmung erfasste auch zahlreiche Frauen, vor allem aus Adel und städtischem Bürgertum. Die anfängliche, wenn auch geringe Unterstützung der von Männern gegründeten und geprägten Orden gegenüber dieser Bewegung wich allerdings bald einer deutlichen Ablehnung. Ein entscheidendes Moment der weiblichen Begeisterung für den Zisterzienserorden war die Distanzierung von den Prämonstratensern, die seit etwa 1178/80 keine Frauen mehr in ihren Orden aufnehmen wollten und dafür 1198 päpstliche Unterstützung fanden. Die alten benediktinischen und stiftischen Lebensformen hatten dagegen Ende des 12. Jahrhunderts an Attraktivität für Frauen und Neugründer verloren und die Bettelorden gab es noch nicht.

Die Gründungswelle von Zisterzienserinnenklöstern setzte viel später und wesentlich verhaltener als bei den Männerorden ein, erreichte dann im 13. Jahrhundert aber Wachstumsraten, wie sie bei den Zisterzienserklöstern noch nicht einmal auf dem Höhepunkt des Wirkens Bernhards von Clairvaux zwischen 1130 und 1150 erzielt worden waren. Die meisten Neugründungen fanden im Erzbistum Köln statt, besonders im Zeitraum zwischen 1230 und 1250. Neben Saarn zählten u.a. auch Gevelsberg (1225), Duisburg-Duissern (1234) und Oberhausen-Sterkrade (1240) dazu. Bei der Gründung eines Klosters konnten sich religiöse Motive und Begeisterung für das strenge Leben des Reformordens mit Sühnegedanken, familiären Interessen, Versorgungsabsichten und nicht zuletzt mit politischen Zielen verbinden.

Das Generalkapitel der Zisterzienser reagierte offen ablehnend auf diese Gründungswelle von Frauenklöstern und versuchte, sich den Aufnahmeanträgen zu entziehen. Deshalb dürfte für viele Frauenkonvente – zumindest vorübergehend – gegolten haben: Auch wenn sie (noch) nicht in den Orden aufgenommen waren, lebten sie „zisterziensisch“ – gemäß den Gewohnheiten und Statuten der Zisterzienser – und nutzten so eine Möglichkeit, die das Generalkapitel nicht verbieten konnte.

Die Geschichte des Konvents Mariensaal

Die Entstehungsgeschichte des Zisterzienserinnenklosters Mariensaal ist wie bei vielen anderen Frauenklöstern im Detail unklar, doch entsprach sie wohl dem üblichen Hergang. Demnach wirkten im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts der Kölner Erzbischof, ein namentlich unbekanntes Mitglied des ortsansässigen niederen Adels und nicht zuletzt die Frauen bei der Gründung des Konvents in Saarn mit. Wie bei den meisten mittelalterlichen Frauenkonventen übertrugen die Gründer die spirituelle Schutzherrschaft der Muttergottes Maria. Ort und materielle Grundlage der Stiftung war der auf einer Anhöhe in Sichtweite der Ruhr gelegene Wirtschaftshof der beteiligten Adelsfamilie.

Das Zisterzienserinnenkloster Mariensaal war der erste Frauenkonvent, der unter die Aufsicht des nahegelegenen Klosters Kamp gestellt wurde. Er erhielt bereits 1223 vom Papst die Bestätigung über die Eingliederung in den Orden. Die in der Kirche gefundenen Grabstätten von zwei Kindern und einem Ritter deuten auf eine Nutzung als Familiengrablege in der Anfangszeit hin. Motiv für die Gründung des Klosters war der Wunsch, dass die frommen Frauen himmlische Fürbitte für die Stifter sowie lebende und verstorbene Familienangehörige leisteten. Dies gab der Frauengemeinschaft ihre Identität und Rechtfertigung und war Grund materieller Zuwendungen in Form von Stiftungen auch anderer Wohltäter.

Tatsächlich besaß der Konvent in dieser Zeit religiöse Ausstrahlungskraft: Die Äbtissin Wolberna tauschte 1231 mit dem Stift Gerresheim den Hof Genserath gegen ein Anwesen in Eppinghoven, auf dem ein Tochterkloster gegründet und mit linksrheinischen Besitzungen des Mutterklosters ausgestattet wurde. Vielleicht stellten Saarner Nonnen auch den ersten Konvent des 1234 entstandenen Zisterzienserinnenklosters Duissern. Nach Aussage der Kamper Chronik aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert gehörten um 1280 etwa 25 Schwestern der Mariensaaler Gemeinschaft an, deren Mitgliederzahl aber während der Frühen Neuzeit sank. Damit gehörte Saarn zu den kleineren Frauenklöstern im Rheinland.

Bei den im Spätmittelalter gegen den Saarner Konvent erhobenen Vorwürfen eines sittlichen und wirtschaftlichen Verfalls des Klosters vermischten sich wahrscheinlich reale Fakten mit der Absicht, die Frauen einer stärkeren Kontrolle durch kirchliche Instanzen und den an einer Festigung seiner Herrschaft interessierten Landesherrn zu unterwerfen. So bestand der oft in diesem Zusammenhang deklarierte Sittenverfall weniger in einem Verstoß gegen die Keuschheitsregel als vielmehr in einer Zunahme des Privateigentums und insofern auch in einer mehr oder weniger deutlich akzentuierten Auflösung der religiösen Lebensgemeinschaft zugunsten individuellerer Andachtsformen. Die Saarner Quellen offenbaren aber nicht die Hintergründe, sondern erzählen nur, dass der Kamper Abt Heinrich von Ray 1476 im Auftrag des Generalkapitels sowie mit Unterstützung des Kölner Erzbischofs und des Herzogs Wilhelm IV. von Jülich eine in diesen Fällen übliche Reform im Kloster Mariensaal durchführte. Dazu übernahm die Sterkrader Äbtissin für einige Zeit die Leitung des Konvents, ehe sie in ihr Mutterkloster zurückkehrte. Außerdem stiftete Heinrich von Ray 100 Goldgulden und verkaufte etliche silberne Kleinodien, um die wirtschaftliche Situation des Klosters zu verbessern.

Die Reformation brachte erneut Unruhe in den Saarner Konvent, als sich fünf Klosterfrauen seit etwa 1568 zur neuen Konfession bekannten und daraufhin des Klosters verwiesen wurden. Unterstützung erhielten sie vom protestantisch gesonnenen Grafen Wirich VI. von Daun-Falkenstein und Herrn von Broich, in dessen Unterherrschaft Mariensaal lag. Für ihn war die Lösung des Streits geradezu eine religiöse und landesherrliche Pflicht. Ein landesherrliches Recht in der Konfessionsfrage beanspruchte auch Herzog Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg für sich, und in Zusammenarbeit mit dem Kloster Kamp konnte er seinen Anspruch langfristig durchsetzen. Im September 1619 zwang der Kamper Abt Karl Reineri die Äbtissin Margaretha von Holtrop zum Rücktritt und führte neue Statuten im Geiste des Zisterzienserordens ein. Sie beinhalteten u.a. den unbedingten Gehorsam gegenüber der Äbtissin, jegliches Verbot von privatem Besitz und die Einhaltung strengster Klausur unter Androhung von Kerkerhaft. Die Querelen im Konvent bis Mitte des 17. Jahrhunderts zeigen jedoch, dass die neu eingesetzte Anna von Deutz ihre Mitschwestern nicht zur Einhaltung dieser Regeln zwingen konnte: Die Quellen wissen von Liebeleien und einer geheimen Schwangerschaft. Dennoch erreichten die Widersacherinnen 1642 unter dem Vorwurf der Misswirtschaft die Amtsenthebung der Äbtissin. Vermutlich wurde ihr Erfolg dadurch begünstigt, dass das Klosterleben in Kamp durch immer neue kriegerische Auseinandersetzungen am Niederrhein stark in Mitleidenschaft gezogen worden war.

In der Folgezeit lockerte sich der Lebensstil der Klosterfrauen, was sich u.a. in einem Umbau und einer Modernisierung der Klosteranlage seit Ende des 17. Jahrhunderts ausdrückte. Nach Besetzung des linken Rheinufers durch französische Truppen 1794 verlor das Kloster seine ertragreichen linksrheinischen Höfe in der Nähe von Neuss. Die Zisterzienserinnen flüchteten 1795 vorübergehend in die Grafschaft Mark, kehrten aber nach Saarn zurück, das als Zentral-Kloster zunächst bestehen bleiben sollte, um den Nonnen aus den aufgehobenen Klöstern Zissendorf und Merten die Möglichkeit einer angemessenen Versorgung und eines gewohnten Umfeldes zu bieten. Als niemand das Angebot wahrnahm, versiegelten Beamte des mittlerweile französisch gewordenen Großherzogtums Berg am 2. Dezember 1808 das Zisterzienserinnenkloster in Saarn. Anfang 1809 wurden das Vieh und die landwirtschaftlichen Geräte versteigert. Als letztes interviewten die beiden Beamten sämtliche 161 Pächter des klösterlichen Grundbesitzes und prüften das Klosterarchiv. Danach wurde eine Vermögensbilanz erstellt: Die letzte Äbtissin Agatha von Heinsberg konnte das Kloster mit einem finanziellen Plus an die Kommissare des Großherzogtums Berg übergeben. Am 1. September 1809 verließen die letzten sechs Klosterfrauen, zwischen 38 und 77 Jahre alt, endgültig Saarn. Außerdem hatten der Pastor Peter Blumenkamp aus Wittlaer und der Vikar Aloysius Hanau aus Düsseldorf, sowie eine Haushälterin, ein Zimmermädchen und eine Küchenmagd, ein Diener, zwei Pferdeknechte und zwei Viehmägde, der Pförtner und Holzhauer und schließlich ein Gärtner zur Klosterfamilie gehört. Die letzte Äbtissin Agatha von Heinsberg blieb in Saarn und pachtete bis 1813 die ehemaligen Konventsgebäude. Ihr später als Kriegerdenkmal genutzter Grabstein steht auf der Südseite der Kirche.

Die Baugestalt der Klosteranlage und ihre Nutzungen

Das Zisterzienserinnenkloster Mariensaal stammt in seiner heutigen Anlage überwiegend aus der späten Barockzeit. Dennoch folgt die Anordnung von Kirche und Konventsgebäuden um einen zentralen Kreuzgang dem frühen, typischen Konzept abendländischer Klosterbaukunst. Die ursprünglich die gesamte Anlage umfassende Mauer, deren mittelalterlicher Verlauf nördlich der Kirche ein Stück weit rekonstruiert wurde, markierte dabei den Klosterbezirk als einen von der Außenwelt separierten Lebensbereich.

Dieser war in einem heute kaum vorstellbaren Maße durch die unterschiedlichsten liturgischen Andachtsformen und Riten geprägt, die die Zeiten, Räume und Bedingungen klösterlichen Lebens bestimmten.

Deshalb ist die Kirche aus Bruchstein mit ihrem Langhaus aus dem 13. Jahrhundert nicht nur der älteste Teil, sondern auch der Mittelpunkt der Klosteranlage in Saarn. Eine Zeichnung in Paul Clemens Buchreihe über die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz von 1893 zeigt noch einen kleinen einschiffigen Saalbau mit vorgesetztem Chorhaus und Apsis.

Das heutige Erscheinungsbild der Kirche geht auf die Zeit nach 1895 zurück, als sie ein Querhaus mit neuem Chor und Turm im Stil der Neoromanik erhielt. Mit dem damaligen Bemühen, an die Zeit der Romanik anzuknüpfen, verschwand außerdem die barocke Innenausstattung, so dass der Besucher im Kirchenraum heute nur noch wenige Objekte aus klösterlicher Zeit vorfindet: etwa die Himmelfahrtsmadonna um 1700 und die Kirchenbänke von 1759. Bei der Restaurierung seit 1979 konnte die frühere Empore im Westen des Kirchenschiffs nach archäologischen Befunden hergestellt werden, die das Langhaus in einen unteren Raum für die Laien und den oberhalb gelegenen Nonnenchor teilte.

Im Norden der Kirche schließt sich der Kreuzgang an, der in nachmittelalterlicher Zeit in die zweigeschossigen Konventsgebäude einbezogen wurde, seinen Grundriss aber behielt. Er verband nicht nur die wichtigsten Gebäudeteile miteinander, sondern war auch Schauplatz für Prozessionen. Das Klausurgebäude im Osten, ein gelb verputztes Traufenhaus, stammt aus dem 15. Jahrhundert. Aus dieser Zeit blieb ein Kreuzstockfenster erhalten, das sich heute im Treppenhaus des modernen Verbindungsbaus befindet. Bei Renovierungsmaßnahmen im 18. Jahrhundert erhielt das Gebäude das parkseitige Portal mit dem Wappen der Äbtissin Maria Theresia von Brederode sowie die Segmentbogenfenster. Im Nonnenhaus befanden sich die wichtigsten Räume des Klosters: der Kapitelsaal, in dem u.a. die Äbtissinnenwahl stattfand, die Sakristei mit den liturgischen Geräten sowie im Obergeschoss das Dormitorium, der Schlafsaal der Nonnen. Im 16. und 17. Jahrhundert bestand außerdem eine kleine „Klosterapotheke“ zusätzlich zu dem Kräutergarten. Dieser war schon Ende des 13. Jahrhunderts im Bereich der heutigen Böschung, nordöstlich vor dem Nonnenhaus angelegt worden, musste aufgrund von Staunässe aber im 15. Jahrhundert in den Klosterhof verlegt werden.

Der Kirche gegenüber, an den nördlichen Arm des Kreuzgangs, grenzt das ehemalige Refektorium mit der Schmalseite an. Dort kamen die Klosterfrauen zu den gemeinsamen Mahlzeiten zusammen. Der mittelalterliche Baukörper wurde Ende des 16. Jahrhunderts umgebaut und im 18. Jahrhundert durch das um wenige Grade nach Osten verzogene, heute noch erhaltene Traufenhaus ersetzt. Dieses lässt anhand der Stellung der Fenster noch einige ältere Gebäudeteile erkennen. Zu den Fastenzeiten gab es täglich eine, sonst zwei einfache Mahlzeiten, die aus gekochten Speisen bestanden. Statt Fleisch stand Fisch auf dem mittelalterlichen Speiseplan. In dem unterhalb der Kirche gelegenen Teich, der heute in wesentlich verkleinerter Form noch sichtbar ist, wurden hauptsächlich Karpfen gezüchtet. Allerdings lockerte sich die Einhaltung der Speisevorschriften mit zunehmender zeitlicher Distanz zur Gründung. Kostbares Tischgeschirr und Speisereste, z.B. Austernschalen, weisen auf einen wesentlich höheren Lebensstandard der Saarner Klosterfrauen im 17. und 18. Jahrhundert hin.

Neben den Gebäuden, in denen die Klosterfrauen gemeinsam lebten und ihre religiösen Aufgaben verrichteten, gibt es auf dem Gelände in Saarn auch einen ursprünglich dreiflügeligen Wirtschaftshof, der noch heute stattlich wirkt. 1755 mit repräsentativem Torhaus errichtet, verlor er seinen dritten Flügel 1913 bei einem Brand. Der mittlere Teil büßte einige Fensterachsen beim Bau der heutigen Bundesstraße 1 im Jahr 1938 ein. In dem Gebäude waren außer den Tieren und dem Getreide ein Teil der Bediensteten untergebracht. Außerdem gab es ein Brau-, Wasch- und Backhaus. Schon im Mittelalter besaß das Zisterzienserinnenkloster ein Wirtschaftshaus, das sich im Westen an den Kreuzgang anschloss. Im Zuge der Klosterreform von 1476 konnte es durch ein großzügiges Wirtschaftsgebäude ersetzt werden. Es wurde im ausgehenden 17. Jahrhundert abgerissen, denn der neugefundene Frieden im Konvent machte den Weg frei für eine umfassende bauliche Erneuerung der Klosteranlage, die sich durch das ganze 18. Jahrhundert hinzog.

Besonders die Äbtissin Johanna Wilhelmina von Bentinck trat dabei als Bauherrin in Erscheinung. Sie sorgte für die Renovierung und den Umbau von Nonnenhaus und Refektorium sowie für den Bau des Wirtschaftstrakts von 1755, der im Giebel über dem Tor ihr Wappen trägt.

Bei der Neugestaltung stand das Bedürfnis nach mehr Wohnqualität im Vordergrund. Die Äbtissin Maria Theresia von Reuschenberg ließ sich 1735 sogar ein Privathaus außerhalb der Klausur errichten (Otto-Pankok-Straße 63). Sie sorgte auch für den Bau des Äbtissinnenhauses, das die Jahreszahl 1729 trägt und an den westlichen Kreuzgangarm angrenzt. Der schlichte Backsteinbau enthielt wahrscheinlich einen großen und einen kleinen Saal. Die in den Aufhebungsprotokollen von 1808/09 aufgelistete Ausstattung der Räume legt dabei den Verdacht nahe, dass die Klosterfrauen aus Sorge um ihr Auskommen nach Aufhebung des Klosters bereits wertvolleres Mobiliar als „Sicherheit“ beiseitegeschafft oder verkauft hatten. Das restliche Inventar wurde von den großherzoglichen Beamten konfisziert und versteigert. Spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg verliert sich dann die Spur vieler Gegenstände aus dem ehemaligen Kloster Saarn.

Nach der Säkularisation fand die Klosteranlage in Saarn unterschiedlichste Verwendung. Die ehemalige Klosterkirche übergab man der katholischen Pfarrgemeinde. In die Konventsgebäude zog von 1815 bis 1862 eine preußische Gewehrfabrik ein, gefolgt von einer Tapetenfabrik, die seit 1874 den ehemaligen Wirtschaftstrakt nutzte.

Im Jahr 1906 richtete August Thyssen in den Konventsgebäuden rund um den Kreuzgang einen landwirtschaftlichen Betrieb ein. Der Wirtschaftstrakt wurde 1930 zu Wohnungen umgebaut. Im Jahr 1979 taten sich schließlich die Stadt Mülheim an der Ruhr, das Bistum Essen und das Land NRW für eine grundlegende Restaurierung des heruntergewirtschafteten, ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Mariensaal in Saarn zusammen.

Die historische Bedeutung

Im ländlichen Raum zwischen Rhein und Ruhr gab es rund hundert solcher Frauenkonvente wie das Zisterzienserinnenkloster Mariensaal in Saarn. Nach Auflösung vieler Gemeinschaften 1802/03 verschwanden oft, so in Duissern und Sterkrade, Klosterausstattung und Konventsgebäude. Die äußerlich weitgehend erhaltene Klosteranlage in Mülheim-Saarn ist nicht nur deshalb ein seltener Glücksfall: Sie wurde in ihrer knapp 800jährigen Geschichte nie vollständig zerstört und gehört zu den wenigen archäologisch umfassend untersuchten Frauenklöstern in Nordwestdeutschland.

Die überwiegend barocken Gebäude spiegeln die innere Wandlung der Klosterfrauen im Laufe der Zeit wider, die asketischen Glauben durch individuellere Andachtsformen und Gemeinschaftsleben durch größere persönliche Freiheit und Komfort ersetzten. Mariensaal bot adligen Frauen nicht nur eine standesgemäße Versorgung, sondern stellte eine alternative Möglichkeit zur Lebensgestaltung dar, die nicht zu geringgeschätzt werden sollte.

Nach der Reformation, in deren Verlauf die Herren der Unterherrschaft Broich aus dem Hause Daun-Falkenstein zur reformierten Konfession wechselten, gewann das Gotteshaus in Saarn außerdem an Bedeutung für die verbliebenen Katholiken in der Region. Bis zu seiner Aufhebung trug das Kloster die Unterhaltskosten für Kirche und Gottesdienst.

Für die Entwicklung von Mülheim an der Ruhr zur Stadt war die Aufhebung Mariensaals dennoch von großer Bedeutung, denn das Frauenkloster besaß viel Grundbesitz im Dorfe Saarn und im heutigen Stadtgebiet von Mülheim. Wie für die meisten Frauengemeinschaften war auch für den Konvent in Saarn die Grundherrschaft die existenziell wichtigste Wirtschaftsform. Mit der Aufhebung des Klosters 1809 ging der Grundbesitz in staatliche Hand über und konnte dann entweder genutzt oder gewinnbringend weiterverkauft werden.

Heute teilen sich die Katholische Kirchengemeinde St. Maria Himmelfahrt und die Stadt Mülheim an der Ruhr das Eigentum an den ehemaligen Klostergebäuden. Allerdings ließ bis in die 1970er Jahre jeder Eigentümer an seinen Gebäudeteilen nur die notwendigsten Instandsetzungsarbeiten durchführen. Erst 1979 wurde die Anlage in Saarn als kulturhistorisch bedeutendes Baudenkmal in Mülheim an der Ruhr entdeckt. Es folgte eine Bau- und Bodenforschung sowie eine gründliche Restaurierung der Gebäude. Das Konzept stellte aber – entsprechend damaligen Standards – die neuen Anforderungen an die Innengestaltung angesichts einer veränderten Nutzung in den Vordergrund und ließ den feinfühligen Umgang mit der historischen Bausubstanz oft vermissen: Die letzten barocken Treppenläufe und Kamine verschwanden. Dafür konnten bei archäologischen Grabungen rund 2000 Funde geborgen werden, von denen viele in einem Museumsraum über dem nördlichen Kreuzgangarm gezeigt werden.

Gegenwärtig befinden sich in den ehemaligen Konventsgebäuden rund um den Kreuzgang das Pfarrbüro der katholischen Gemeinde St. Maria Himmelfahrt, eine Bücherei des Bistums Essen, ein Bürgersaal und eine Begegnungsstätte.

Literatur

Fischer, Hans: Das Zisterzienserinnenkloster in Saarn. Mülheim a.d. Ruhr 1981.

Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern. Ausstellungskatalog Bundeskunsthalle Bonn und Ruhrlandmuseum Essen. München 2005.

Ortmanns, Kurt: Die Zisterzienserinnenabtei Saarn in Mülheim an der Ruhr.

Rheinische Kunststätten, Heft 280, 2. veränderte Auflage. Köln 1992.

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