Die Stadthalle

Stadthalle, Quelle: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Von: Melanie Rimpel

Bereits im 19. Jahrhundert entstand der Wunsch nach einem repräsentativen Bauwerk als kulturellem Zentrum der Stadt Mülheim an der Ruhr. In den Jahren 1908 und 1909 bildeten erste, recht ansehnliche Stiftungsgelder aus der Bürgerschaft das Grundkapital für den Bau einer Stadthalle, das später durch die Leonhard-Stinnes-Stiftung weiter aufgestockt wurde. Anfängliche Unstimmigkeiten über einen geeigneten Standort der Stadthalle endeten 1915 mit dem Erwerb des ehemaligen Vorsterschen Besitzes am Broicher Ruhrufer. Mit dem Kauf sicherte sich die Stadt eine einzigartige Lage, um hier an der Querung der Ruhr mit der neuen Stadthalle das kulturelle Zentrum Mülheims zu schaffen. Doch Erster Weltkrieg, Ruhrbesetzung und Weltwirtschaftskrise verzögerten die konkrete Umsetzung der grundsätzlich gefassten Pläne noch bis weit in die 1920er Jahre.

Der Wettbewerb und die Entscheidung

Anfang Juni 1922 erschien die Ausschreibung für einen Wettbewerb „zur Erlangung von Entwürfen für den Neubau einer Stadthalle in Mülheim an der Ruhr“ in der Deutschen Bauzeitung. Drei Preise und zwei Ankäufe mit einem Gesamtvolumen von 150.000 Mark wurden von Seiten der Stadt für das Bauwerk, „das im Äußeren repräsentativ für das städtebauliche Ansehen der Stadt [sein] und im Inneren Raum für künstlerische, politische und gesellschaftliche Veranstaltungen gewähren sollte“ in Aussicht gestellt. Das verlangte Raumprogramm für die vorgesehene „Abhaltung von Konzerten und Versammlungen“ sollte „einen Saal mit Galerien für 1.300 bis 1.400 Personen, ein Konzertpodium für mindestens 200 Personen, Umgänge, Erfrischungsräume, Künstlerzimmer, Kleiderablage am Hauptzugang, Vereinszimmer, Tageswirtschaft“ und weitere Räumlichkeiten umfassen. Bereits im Ausschreibungstext wurde deutlich, welch besonderen Stellenwert das Stadthallengebäude für das Ensemble an der Ruhr haben sollte: so wurden die Architekten ausdrücklich darauf aufgefordert, eine “städtebauliche hervorragende Baugruppe“ im Zusammenhang mit den auf dem gegenüberliegenden Ruhrufer befindenden öffentlichen Gebäuden zu schaffen. Eine gartenkünstlerische Einbindung der Stadthalle und damit gleichzeitige Anbindung an die Ruhranlagen neben dem Stadtbad war ebenso gefordert wie eine klare und zweckmäßige Grundrissgestaltung. Vor allem die städtebauliche Einbindung des Stadthallenentwurfes in das Ensemble von Stadtbad, Schloßbrücke und umgebenden Grünanlagen war im späteren bei der Wahl des Ausführungsentwurfes von Bedeutung.

Bereits in der Novemberausgabe der Deutschen Bauzeitung meldete die Stadt Mülheim den Erfolg des Wettbewerbs: 161 Entwürfe für den Neubau der Stadthalle waren eingegangen. Das Preisgericht entschied sich für folgende Entwürfe: 1. Preis Adolf Abel, Stuttgart; 2. Preis R. Lempp, Stuttgart; 3. Preis Pfeiffer&Großmann, Mülheim/Karlsruhe; darüber hinaus wurden verschiedene Ankaufempfehlungen u.a. für den Entwurf von Emil Fahrenkamp, Düsseldorf, ausgesprochen. Die so prämierten und ausgezeichneten Entwürfe wurden bis zum 4. Dezember 1922 im Sitzungssaal der Stadtverordneten des Rathauses ausgestellt.

1923 wurde die Entwicklung des Stadthallenprojektes kurzfristig durch die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen und den darauffolgenden wirtschaftlichen Zusammenbruch gestoppt. Öffentliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ermöglichten im Herbst 1923 dann doch den Baubeginn für die neue Stadthalle.

Für die Ausführung des Baus beschritt die Stadt einen recht ungewöhnlichen Weg, entschied man sich doch, die Bauaufgabe auf zwei Architekten aufzuteilen. So wurde der Architekt Hans Großmann, der bereits das neue Rathaus mitentworfen hatte, mit der Gebäudekonzeption und der Gestaltung des Gebäudeäußeren beauftragt. Für die Innenausstattung wurde Prof. Emil Fahrenkamp, dessen Entwurf für den Wettbewerb als Ankauf empfohlen worden war, verpflichtet.

1923 – 1926 Die Stadthalle – Gegensatz als Einheit

Als Gegenpol zum administrativen Zentrum der Stadt, dem Rathaus auf der gegenüberliegenden Ruhrseite, entstand nun mit dem Bau der Stadthalle auf der Broicher Ruhrseite der lang ersehnte kulturelle Mittelpunkt Mülheims.

So wie sich die einzelnen Bauten der Ruhruferbebauung städtebaulich zu einer Einheit zusammenfügen, gelang es den beiden Architekten Großmann und Fahrenkamp Äußeres und Inneres zu einem spannungsvollen Gesamten zu entwickeln. Diese Verbindung wirkte dadurch so einzigartig, weil Großmann es verstand, Inneres und Äußeres über ein zentrales Motiv miteinander zu verbinden: den großen Saal im Zentrum des Gebäudes. Um diesen herum entwickelte er sowohl die äußere Form und Gestalt wie auch den Grundriss der Stadthalle. Von den italienischen Bauten des 9. bis 12. Jahrhunderts inspiriert sollte die Stadthalle, so Großmann in Nr. 5 der Zeitschrift „Bauamt und Gemeindebau“ im Februar 1926, „an die machtvollen und stolz-feierlichen Palastbauten früherer Jahrhunderte erinnern“. Diese Wirkung bis hin zu dem oft zitierten Bild eines „Venedigs an der Ruhr“ erreichte er nicht zuletzt durch die Entwicklung des Gebäudes parallel zur Ruhr, das der einzigartigen Lage des Baugrundstücks durch eine Front von 100 Metern, bestehend aus gestaffelten Baukörpern, Rechnung trug. Die Staffelung der Raumebenen wurde im Innern zur Inszenierung der Erschließung genutzt: von sich öffnenden Räumen über halboffene Hallen mit gezielten Blickachsen, bis hin zum Innersten des Gebäudes, dem großen Saal im Kern der Stadthalle.

Die einzigartige Wirkung der Stadthalle vollendete die von Fahrenkamp ebenso meisterhaft wie feinsinnig auf die Räumlichkeiten abgestimmte Innenarchitektur, die ebenfalls im großen Saal ihren Höhepunkt fand. So gelang es den beiden Architekten, Äußeres und Inneres zu einem untrennbaren Gesamten mit dem großen Saal als gemeinsamem Motiv der Inszenierung zu vereinen.

Form und Materialität

In der äußeren Gestalt zeichnete sich das Motiv des großen Saales durch einen mit der Längsachse parallel zur Ruhr angeordneten, 64 m langen, 27 m breiten und 22 m hohen Baukörper ab. Dieser Zentralkörper, eine mit Muschelkalk verkleidete Stahlskelettkonstruktion, war die äußerliche Hülle für den 63 x 26 Meter großen und 12 m hohen, stützenfreien Saal, das “Herz“ der neuen Stadthalle.

Symmetrisch entwickelte Großmann das Gebäude um diese „Halle“, nach ihrem Diagonalverhältnis bemaß er die angegliederten Baukörper und Bauteile. In der äußeren Gestaltung nahm Großmann diesen zentralen Baukörper sehr zurück, durch leichte Schattenlinien und die Kreisfenster gestaltet mit einer glatten, an den Ecken erhöhten Attika, dominierte er das Gebäude allein durch seine Größe.

Symmetrisch ordnete er höhengestaffelt nach Osten und Westen je einen Kubus vor. In der Längsachse gliederte er dem Hauptbauköper die „dienenden Räume“ an: Nach Norden den u-förmigen Flügel mit den Nebenräumen wie Garderoben, Stuhlmagazin und Vorbereitungsräume für Solisten und Chor sowie eine kleine Wohnung. Nach Süden, dem Eingangsbereich an der Schlossbrücke zugeordnet, die Räume der Tageswirtschaft, Gesellschaftsräume und einen Laden.

Konsequent stellte Großmann dem Kubus an der Schnittstelle zur Schloßbrücke, von der die Besucher die Stadthalle betreten würden, mit einem achtachsigen, dreigeschossigen Portalbau ein kontrastierendes Element gegenüber. Durch die mittleren Bögen gelangte man über eine Treppe in den tiefer gelegenen, nicht überdachten Ehrenhof, der im Osten und Westen von den niedrigeren Bauten der Tageswirtschaft umschlossen war und der von der Vorsterstraße aus über eine Durchfahrt zu befahren war.

Vom Ehrenhof aus betrat man die ellipsenförmige Vorhalle, die Kassenhalle. In schlichter Zurückhaltung stellte Fahrenkamp in diesem Bereich hellen Putzflächen und grauschwarzem Marmorfußboden reiche grün, blau und grau schillernde Mosaikverzierungen und Majolikafiguren gegenüber. Von der Vorhalle gelangte man sowohl in die untere Halle wie auch hinauf zur Saalebene.

Symmetrisch hatte Großmann dem Zentralbaukörper jeweils nach Osten und Westen einen zweigeschossigen horizontalen Baukörper vorgelagert. Zur Ruhr hin, nach Osten, inszenierte eine mittig angeordnete zehnachsige Säulenhalle die Treppenabgänge hinunter zum Ufer. Dies ermöglichte sowohl den Blick von der unteren Halle direkt auf das gegenüberliegende Ruhrufer mit dem Rathaus und dem Stadtbad als auch die Anbindung des gärtnerisch gestalteten Vorgeländes am Ruhrufer.

Vier große Treppenanlagen, die in den Ecken der unteren Halle angeordnet waren, führten hinauf zur Saalebene. Die dreiseitig um den großen Saal umlaufenden Wandelgänge mit zeltförmiger Decke, von Fahrenkamp in zartem Gelb mit reicher Deckenmalerei und Spiegeln an den Wänden gestaltet, weiteten sich an den Längsseiten zu Wandelhallen (Foyers) auf. Diese waren in lichtem Blau mit viel Silber, einer hohen gewölbten Decke mit indirektem Licht im Gewölbescheitel und reich geformten Beleuchtungskörpern gehalten. Schlichte graue Vorhänge rahmten die hohen bogenförmigen Fenster wie auch die Bögen zum Wandelgang. Von den Wandelgängen aus gelangte der Besucher durch Türen in den Längsseiten und gegenüber dem Podium in den großen Saal, dem Höhepunkt räumlicher und gestalterischer Inszenierung.

Durch die Stahlskelettkonstruktion vollkommen stützenfrei bot er Platz für 2000 Besucher. Die innenarchitektonische Gestaltung erreichte hier ihren Höhepunkt. Die im unteren Drittel der Raumhöhe bis zu den Galerien mit Palisanderholz vertäfelten Flächen wurden von schwarzen Schleiflack-Türen durchbrochen; kontrastierend dazu wirkten die in rosa abgetöntem Schleiflack gestalteten Wände und die zwischen den Pfeilern angeordneten grauen Stoffbehänge. Die Pfeiler betonte Fahrenkamp durch große Lichtschalen mit silbernem Unterbau. Die waagerechte Decke war geometrisch profiliert, farbig gestaltet und mit drei großen silbernen Leuchtern betont. Der hölzerne Orchesterraum diente gleichsam als Bühne, wurde durch zartes Grün und hohe silberne Säulen und eine silberne Decke optisch hervorgehoben. Der große Rundhorizont der Bühne, der ebenso wie die übrigen technischen Einrichtungen in wenigen Minuten unsichtbar zu machen war, gab dem Raum seine besondere Wirkung. Zwar war der Saal mit seinem runden Vortragspodium hauptsächlich für Konzertveranstaltungen mit immerhin bis zu 400 Musikern ausgelegt, er konnte jedoch auch für Theateraufführungen genutzt werden. Für Kinoveranstaltungen war ein architektonisch integrierter Bereich auf der Empore vorgesehen.

Großmanns Planungen für die Stadthalle berücksichtigten vor allem auch eine multifunktionale Nutzbarkeit der Räumlichkeiten. So war bei großen Festlichkeiten, bei denen bis zu 4000 Gäste im Hause waren, durch die frei eingestellte Galerie die Nutzung des Parketts sowohl für Tanz als auch für Bewirtung möglich.

Von der Vorsterstraße her ermöglichte ein separater Eingang mit eigener Halle und Garderobe eine unabhängige Nutzung des kleinen Saales. Fahrenkamp wählte hier für die Aufgänge eine sachlich strenge Gestaltung. Der Höhepunkt in diesem Bereich war der von Großmann für 200 Personen ausgelegte kleine Konzertsaal, den Fahrenkamp mit besonderer Phantasie gestaltete. Durch seine reiche Farbgebung in Lindenblüte, Rot und Gold und vielen Beleuchtungseffekten erschien er geradezu märchenhaft. Elemente wie hinter Goldleisten scheinendes Licht und die für eine geometrische Abstufung genutzten Eisenträger gaben dem Raum eine besondere Wirkung, ebenso wie die teppichartig aus profilierten Hölzern zusammengesetzte Kopfwand.

Die konsequente Durchführung der Inszenierung vereinte so den von Großmann entworfenen, streng gegliederten Bau mit den abgewogenen Einzelformen, klaren Gruppierungen und Schichtungen der Kuben in weißem Muschelkalk mit der kontrastierenden, farbenfrohen und formenreichen Innenarchitektur Fahrenkamps.

Eröffnung

Nach zweijähriger Bauzeit war es endlich so weit. Am 5. Januar 1926 eröffnete das städtische Orchester Duisburg mit Auszügen aus Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ und Anton Bruckners 5. Sinfonie die Mülheimer Stadthalle. Am nächsten Tag wurde die Stadthalle dann mit einem Festkonzert, bei dem unter anderem Beethovens 9. Sinfonie erklang, der Bürgerschaft übergeben. In den folgenden Jahren wurde die Stadthalle tatsächlich zum kulturellen Herz Mülheims, das mit Gastspielen so bedeutender Künstler wie Wilhelm Furtwängler und den Berliner Philharmonikern oder der Tänzerin Anna Pawlowa ebenso die Besucher anzog wie mit den regelmäßigen Aufführungen des Düsseldorfer Schauspielhauses.

Kriegsschäden

In der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1943 fiel die Stadthalle bei einem schweren Luftangriff den Bomben zum Opfer und brannte bis auf den südlichen Gebäudeteil vollständig aus. Übrig blieben der Ehrenhof mit den Räumen der Gaststätte und der Eingangshalle im Südteil und die Fassaden. In den folgenden schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren bedeutete die Zerstörung der Stadthalle für die Mülheimer einen großen Verlust. Selbst die mit Zustimmung der Militärregierung in den Nachkriegsjahren stattfindenden kulturellen Veranstaltungen konnten diese Lücke nicht füllen, so dass der Wunsch nach dem Wiederaufbau der Stadthalle bestehen blieb.

Ein langer Weg zum Wiederaufbau

Bereits Ende der 1940er Jahre wurde als vorläufige Maßnahme der erhaltene Südteil instandgesetzt und in der ehemaligen Kassenhalle ein kleiner Festsaal eingerichtet. Bereits bei diesen kleineren Baumaßnahmen wurde deutlich, welche bautechnischen Probleme der Wiederaufbau bringen würde. So war erheblicher Aufwand nötig, um die verbogenen Gitterträger der Kassenhalle mit hydraulischem Druck wieder zu richten und tragfähig zu machen.

Dennoch stand der Wiederaufbau der Stadthalle nie in Frage. 1950/51 fasste die Stadtverwaltung den Beschluss, die Mittel für die Erstellung einer neuen Dachkonstruktion bereitzustellen. Mit einem Kostenaufwand von 475.000 DM war so zunächst die Sicherung der erhaltenen Bausubstanz gewährleistet. Trotz vorübergehenden Materialmangels stand die neue Dachkonstruktion, erstellt mit Röhrenbindern der Rheinischen Röhrenwerke in Mülheim, bereits Mitte 1951 vor der Vollendung, zunächst eingedeckt mit Dachpappe, da ein Zinkdach für die Stadt nicht finanzierbar war.

Welche Bedeutung der vollständige Wiederaufbau für die Stadt und die Bürger hatte, zeigte sich in den darauffolgenden Jahren. So initiierte die Stadt am 6. Januar 1951 zum 25. Jahrestag der Einweihung der Stadthalle eine Festwoche zu Ehren des Bauwerks und des Kulturlebens. Im Rahmen eines dazu stattfindenden städtischen Empfangs wurde der so viel gepriesene “Stadthallengeist“ von Oberverwaltungsrat Kreyssin zum Anlass genommen, einen Wiederaufbaufonds zu gründen, der an diesem Abend einen sofortigen Erlös von 500 DM einbrachte.

1952 initiierte man eine “Stadthallen-Aufbaulotterie“ zur Finanzierung des Wiederaufbaus, deren Grundlage umfangreiche Warenspenden von Mülheimer Firmen, Betrieben und Unternehmen bildeten. Insgesamt stiftete die Industrie Lotteriegewinne im Wert von 29.000 DM, der Handel im Wert von 22.000 DM und der Großhandel im Wert von 10.000 DM. Bereits Mitte April 1952 konnte Oberbürgermeister Thöne mit einem “Mölm bovenaan“ den Verkauf der Lose freigeben.

Der Wiederaufbau der Stadthalle

Im November 1953 wurde im Rat der Stadt der Beschluss zum Wiederaufbau der Stadthalle gefasst und eine Erweiterung des Gebäudes beschlossen. Seit dem Bau der Stadthalle hatten sich die Anforderungen an das Gebäude erheblich verändert, so dass recht schnell deutlich wurde, dass ein Wiederaufbau in der ursprünglichen Weise nicht möglich war. Die starken Zerstörungen des Gebäudes, aber auch der Umgebung, boten die Grundlage für eine umfassende Neuorganisierung der Nutzungen in der erhaltenen Hülle und eine Erweiterung. Auf Beschluss des Hauptausschusses wurde Prof. Gerhard Graubner aus Hannover mit der Planung und Bauleitung für den Wiederaufbau und die Erweiterung beauftragt. Maßgabe für die Planung war mit Rücksicht auf die erhaltenen Teile, die bestehende Gestaltung der äußeren Hülle mit einer Erweiterung des Gebäudes und einer neuen Innengestaltung in Einklang zu bringen. Anfang 1954 präsentierte Graubner der Stadtvertretung erste Vorentwürfe, die er in Zusammenarbeit mit dem Hochbauamt der Stadt Mülheim entwickelt hatte. Mit breiter Zustimmung unterstützte der Rat die Wiederaufbaupläne und stellte Graubner einen siebenköpfigen Bauherrenausschuss aus den Mitgliedern des Rates zur Seite, der mit ihm den Wiederaufbau vorantreiben sollte.

Städtebauliche und innere Neuordnung

Als 1923 mit dem Bau der Stadthalle begonnen wurde, lag das Grundstück eingebettet in die vorhandene Bebauung der Schloßstraße, Bergstraße und Vorsterstraße zwischen Ruhrufer und Schloss Broich bis hin zur Eisenbahnbrücke. Umgeben von Fabrikgebäuden, Häusern, Schuppen und Speichern konnte die Stadthalle ihre Wirkung lediglich zur Ruhrseite und zur Schlossbrücke hin entwickeln. Die schweren Zerstörungen des Krieges am Broicher Ruhrufer bildeten bei den Wiederaufbauplanungen die Grundlage für eine umfassende städtebauliche Neuordnung rund um das Stadthallengrundstück. Durch das Freiräumen des Geländes zwischen Schloß Broich und der Stadthalle bis hin zur Eisenbahnbrücke gewann die Stadthalle nun Raum sich zu entfalten. Die geplanten großflächigen Grünanlagen boten die neue “Bühne“ für die Stadthalle. Als verbindendes Element zu den Grünflächen des gegenüberliegenden Ruhrufers stärkten sie die städtebauliche Einheit des Ensembles.

Gleichzeitig konnte man nun den veränderten Verkehrsanforderungen Rechnung tragen.
Die freien Flächen im Westen zur Bergstraße hin ermöglichten einen geeigneten Vorbereich mit Vorfahrt. Der geringe Abstand zur damaligen Schloßstraße und das erhöhte Verkehrsaufkommen beeinträchtigten die Erschließung der Stadthalle erheblich. Diese Gegebenheiten bildeten für Prof. Graubner den Ansatz einer kompletten Neuplanung des Grundriss-Organismus unter Berücksichtigung der erhaltenen Substanz des Umfassungsmauerwerks.

Um den neuen Anforderungen Rechnung zu tragen, plante Graubner die Verlegung der Erschließung von der Schlossbrücke auf die westliche Seite von der Bergstraße her. Dem bestehenden Gebäude der Stadthalle stellte er eine leichte Stahlkonstruktion gegenüber, die durch das vorgezogene Dach die überdachte Vorfahrt ermöglichte und zudem den Raum für die neue Kassenhalle und Garderobe bot. Vor allem aber plante Graubner hier im Obergeschoss einen neuen Festsaal mit ca. 600 – 650 Tischplätzen und Tanzfläche. Dieser neue Saal ermöglichte es, die Multifunktionalität der Stadthalle für Fest-, Theater- und Konzertveranstaltungen zu erhalten und den großen Saal für Theateraufführungen umzugestalten.

Zwar war man sich darüber im Klaren, dass der Saal allein schon wegen der zu erhaltenden Gebäudehülle nie die Qualität eines Volltheaters erreichen würde. Dennoch sollten nun vornehmlich Theateraufführungen stattfinden können, jedoch ohne dass die Konzertmöglichkeiten darunter leiden würden.

Die bedeutendste Neuerung, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, war die Schaffung einer Bühnenanlage, die einen reibungslosen Ablauf erst ermöglichte. Der Orchestergraben wurde vor die Bühne verlegt, die Orgel über die Bühne. Ergänzend zu diesen Maßnahmen wurde eine viergeschossige Erweiterung auf der nördlichen Gebäudeseite angebaut, die eine Hinterbühne und weitere notwendige Nebenräume umfasste.

Der Saal wurde durch das bis auf 3,50 m ansteigende Parkett in zwei Bereiche gegliedert, an die das Ranggestühl direkt anschloss. Diese Einteilung ermöglichte es, den Rang für Vorträge, Kinovorstellungen und kleinere Konzerte mit etwa 830 Gästen durch eine Faltwand abzutrennen. Die Seitenwände wurden fächerartig aufgebrochen, an jeder Fächerstirnwand war eine Loge angeordnet. Der gesamte Saal bot nun mit 40 m Tiefe und einer Breite von im Mittel 21 m 1200 Besuchern Platz.     Ein wesentlicher Bestandteil der neuen Raumkonzeption Graubners lag in der Variabilität, die Räumlichkeiten nach Bedarf zu verbinden oder vollständig unabhängig voneinander zu nutzen.

Grundlage für die umfassenden Umbauten war jedoch zunächst die großflächige Beseitigung des Schutts, verbogener Träger und zerstörter Mauern und Stuckdecken, die nach dem Brand das Innere des Haupttraktes beherrschten. Bis Mitte 1955 verliefen die Bauarbeiten für die Mülheimer Bürger weitestgehend unsichtbar im Inneren des Gebäudes. Erst Ende Juni wurde der Abschluss der Restaurierungs- und Sicherungsmaßnahmen des erhaltenen Bestandes verkündet und gleichzeitig für die zweite Jahreshälfte der Baubeginn des Bühnenhauses angekündigt.

Wiedereröffnung in Teilabschnitten

Mitte Mai 1956 wurde mit der Wiedereröffnung des Restaurants der erste Bauabschnitt abgeschlossen.

Durch die Verlagerung der Haupterschließung standen sowohl der ehemalige Ehrenhof als auch die ehemalige Vorhalle mit den Kassen zur Verfügung. So diente der Ehrenhof nun, durch eine Glasdecke und Scheiben zur Schloßbrücke hin geschützt, als Wintergarten. Die ehemalige Vorhalle, der “Festsaal der Nachkriegszeit“, wurde nun als Tanzsaal genutzt.

Den Abschluss des zweiten Bauabschnitts bildete am 22. Dezember 1956 die Einweihung des Kammermusiksaals mit Musik zum Advent von Mülheimer Künstlern. Dieser war nun über einen eigenen Eingang erschlossen und lag im ehemaligen Bereich des kleinen Saales. Der ellipsenfömige Saal bot mit seinen 315 Sitzplätzen den Rahmen für städtische Kammerkonzerte und wissenschaftliche Vorträge.

Die komplette Fertigstellung der Stadthalle ließ noch einige Zeit auf sich warten. Bereits im April 1957 jedoch kündigte Prof. Graubner den Mülheimern den 1. Oktober als Termin der Wiedereröffnung an. Das strenge System des ursprünglichen Gebäudes war nach dem Wiederaufbau einem räumlichen Gefüge weit geöffneter Hallen, Treppenhäuser und Säle gewichen. Dem unveränderten Kubus hatte Graubner einen Neubau mit fast graziler Leichtigkeit gegenübergestellt. Bewusst kontrastierte er neu und alt. Die neue Eingangshalle mit dem über schlanken Säulen auskragenden Dach und den großen Glasflächen hob sich deutlich gegen die massiven, mit Naturstein verkleideten Mauern des Kubus ab. Auch die neue Innengestaltung zeichnete sich durch eine nüchterne Eleganz aus. Den neuen Konzert- und Theatersaal prägten nun kinoartige Sitzreihen. Details wie die Emaillearbeiten der Theaterlogen oder die beiden wandhohen Mosaiken Thorn-Prikkers rundeten die Gestaltung ab.

Die Stadthalle als Denkmal

Der Wiedereröffnung 1957 folgte fast 30 Jahre später im Jahr 1986 die Eintragung in die Denkmalliste der Stadt Mülheim an der Ruhr. Auch die Stadthalle der 1950er Jahre unterlag den wechselnden Anforderungen der Zeit, so dass sich das Gebäude seither im ständigen Wandel befindet. Schon 1989 entstand der Entwurf der Architekten Skornia und Skornia, Recker, zu einer erneuten Erweiterung der Stadthalle durch eine Rotunde, die 1992 eröffnet wurde.
Der Wiederaufbau und die Erweiterung bildeten die Grundlage für eine stete Weiterentwicklung Mülheims zu einem Kongressort. Der neue Festsaal mit den 750 Tischplätzen und der Kammermusiksaal mit 315 Plätzen waren auf größere Tagungen und Vorträge ausgelegt. Die getrennten Saalzugänge gewährleisteten den reibungslosen Ablauf paralleler Veranstaltungen und die technischen Anlagen der neuen Bühne ermöglichten einen gemischten Spielplan. Die Räume der Stadthalle sind bis heute Grundlage für das breite Angebot von Konzert- und Theaterveranstaltungen, die über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts befindet sich das Gebäude erneut in einer Umbau- und Erweiterungsphase, um neuen Ansprüchen gerecht zu werden.

(Aus: Zeugen der Stadtgeschichte: Baudenkmäler und historische Orte in Mülheim an der Ruhr, hrsg. vom Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr e.V., Klartext Verlag, Essen 2008)

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