Die Wiedereröffnung des Wasserbahnhofes

Der Wasserbahnhof auf der Schleuseninsel (Quelle: Stadtarchiv)

von: Thomas Emons

Von 1923 bis 1927 auf der Schleuseninsel errichtet, trat die Ruhrbastei an die Stelle einer Werft und eines Schlachthofes. Hier legten seit dem 8. Juli 1927 die Schiffe der Weißen Flotte in Richtung Kettwig ab. Der Volksmund machte aus der Ruhrbastei schon bald den Wasserbahnhof.

Die touristische Ruhrschifffahrt knüpfte in der wirtschaftlich, sozial und politisch stabilsten Zeit der Weimarer Republik an die gewerbliche Ruhrschifffahrt an, die die Ruhr bis zum Beginn des Eisenbahnzeitalters um 1860 zu dem am stärksten befahrenen Fluss Europas gemacht hatte.

Nachdem 1890 das letzte Kohlenschiff Mülheim an der Ruhr passiert hatte und die 1853 gegründete Mülheimer Ruhrschifffahrtsgesellschaft und privatwirtschaftliche Nachfolgeprojekte (nach 1890) ein Intermezzo geblieben war, stand der Wasserbahnhof ab 1927 für eine dauerhafte touristische Ruhrschifffahrt, die bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise jährlich fast eine halbe Million Fahrgäste anzog, die mit bis zu acht Schiffen der Weißen Flotte durch das Ruhrtal fuhren. Eine Fahrt mit der Weißen Flotte war damals für 10 Pfennige zu haben.

Doch die Weltwirtschaftskrise (1929-1932), der Zweite Weltkrieg (1939-1945) und die von existenzieller Not geprägten Nachkriegsjahre 1945 bis 1949 unterbrachen die Erfolgsgeschichte der touristischen und gastronomischen Erfolgsgeschichte der Weißen Flotte und des Wasserbahnhofes. Schiffe wurden verkauft und in den Kriegsdienst der Wehrmacht gestellt.

Erst am 9. April 1949 konnten der damalige Oberbürgermeister Heinrich Thöne, Stadtbaurat Borchert und die neue Gastronomin Olga Rieseberg geladenen Gästen im Rahmen eines Eröffnungsfrühstücks präsentieren, was danach allen Mülheimern  und auswärtigen Gästen offenstand. 66 Tage lang hatten die von der Stadt beauftragten Handwerker im Wasserbahnhof Hand angelegt, um zu beseitigen, was Baurat Borchert bei der Wiedereröffnung: „die Spuren des ungezwungenen Soldatenlebens“ genannt hatte.

Denn am 5. Juni 1945 waren in Mülheim die Offiziere der britischen Armee an die Stelle der US-Armee getreten, die mit ihrem Einmarsch am 11. April 1945 für Mülheim den Zweiten Weltkrieg beendet hatten. Sie machten aus dem Mülheimer Wasserbahnhof einen britischen Offiziersclub, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war.

Entsprechend euphorisch sagte Heinrich Thöne bei der Wiedereröffnungsfeier am 9. April 1949: „Endlich sind wir im Wasserbahnhof Herren im eigenen Haus!“ Und als Sozialdemokrat gab er der neuen Gastronomin des Wasserbahnhofes die Mahnung mit auf den Weg: „Die Preise sind hoffentlich so kalkuliert, dass auch der Mann im einfachen Kleide sich hier zuhause fühlen kann.“ Derweil lobte die Lokalpresse das „gefällige“ Erscheinungsbild des neuen Wasserbahnhofes mit seinen insgesamt 600 Sitzplätzen ebenso wie seine Außenbeleuchtung, die sich zauberhaft in der Wasseroberfläche der Ruhr spiegele. Und im Mülheimer Telefon- und Adressbuch des Jahres 1950 konnte die Gastronomin des Wasserbahnhofes denn auch folgendermaßen für ihre besondere Lokalität an der Ruhr werben: „Der Wasserbahnhof Mülheim an der Ruhr: Die kultivierte Gaststätte in reizvoller Lage des Ruhrtales, in diesem Jahr wieder geöffnet mit bekannt guter Küche, gepflegten Getränken und eigener Konditorei“! So wurde der Wasserbahnhof zu einem symbolträchtigen Teil des westdeutschen Wirtschaftswunders, das sich mit seiner Vollbeschäftigung und seinem kriegsbedingten Nachholbedarf in den 1950er Jahren entfalten sollte.

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