Autor: Dirk von Eicken
Mülheim, die Märchenstadt
Es war einmal……1976 – Vorweihnachtszeit in Mülheim. Es ist noch die Zeit der vier langen, verkaufsoffenen Samstage vor Weihnachten, die Stadt und die Geschäfte sind voll. Aber in diesem Jahr hatten sich der Mülheimer Verkehrsverein und die Mülheimer Kaufleute etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Mülheim wird zur Märchenstadt.
Bereits im Vorfeld wird mit vielen Plakaten, auch in den Nachbarstädten, auf diese große Mülheimer Werbeaktion hingewiesen. Viele Kauflaute und Banken beteiligten sich an dieser Aktion. Über 1.000, teilweise spektakuläre Preise im Gesamtwert von DM 32.000 wurden zur Verfügung gestellt. Diese konnte man sich schon vorher im Schaufenster der Rhenag anschauen.
Unterwegs von Märchen zu Märchen hieß es dann bis 14. Dezember für die Mülheimer Bürger. 50.000 Teilnahmebögen sollten unter das Volk gebracht werden. Ziel war es nun die teilnehmenden Geschäfte, Banken, etc. auszusuchen und das dort ausgestellte Märchen auf dem Bogen einzutragen. In 75 Schaufenstern mussten 21 Märchen geraten werden. Allein Frau Holle war achtmal dabei. Und das Konzept ging voll auf. Heerscharen von Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen strömten durch die Stadt, immer auf der Suche nachdem nächsten Märchen. Positiver Nebeneffekt: Man lernte Straßen und Geschäfte in Mülheim kennen.
Am Ende gab es genau 22.125, davon 21.342 gültige Einsendungen und 10.617 hatten alle Märchen richtig erraten. Die Auswertung der Teilnahmebögen, damals noch sehr ungewöhnlich, erfolgte durch die städtische EDV. Im vollbesetzten großen Saal der Stadthalle fand dann die Abschlussveranstaltung statt, in der der Oberbürgermeister die Hauptpreise persönlich überreichte. Begleitend zur Märchenstadt eröffnete vom 26. November bis zum 5. Dezember, das noch heute bestehende Christkindl-Postamt aus Steyr (Oberösterreich) in Mülheim eine Filiale. Zu diesem Zweck wurde in der Schalterhalle der Sparkasse, damals noch in der Viktoriastraße 17, eine weihnachtlich geschmückte Koje eingerichtet. Die dort abgegebene Post wurde täglich an das Original Postamt in Steyr geschickt und von dort mit Sondermarke und Sonderstempel versehen an die angegebenen Adressen versendet. Aber auch unsere Post war nicht untätig. Zum Abschluss des Weihnachtspreisausschreibens gab es auch hier einen Sonderstempel „Mülheim a. d. Ruhr–Märchenstadt–Weihnachten‘ 76“, der Grüße in alle Welt hinaustragen sollte.
Im Jahr 1977 wurde diese vorweihnachtliche Schaufensteraktion noch einmal mit den Abenteuern des Baron Münchhausens und alten Sagen wiederholt. In den folgenden Jahren grüßte Mülheim als die ‚Lichterstadt‘.
Quellen: WAZ, Stadtspiegel, Stadtarchiv MH, Stempelsammlung