Von: Johannes Fricke
Am 30. Juni 1994 verließen die britischen Truppen Mülheim an der Ruhr, nachdem sie fast ein halbes Jahrhundert hier stationiert gewesen waren. Schon kurz nach dem Einzug amerikanischer Truppen im April 1945 war die Besatzung im Juni an die Engländer übergegangen. Als die Rheinarmee einen Standort im westlichen Ruhrgebiet suchte, fiel die Wahl auf die „Pionierkaserne“ in Mülheim an der Ruhr. Diese Kaserne war Ende der 1930er Jahre auf einem Gelände in Holthausen im Bereich Zeppelinstraße/Steinknappen für ein Pionierbataillon erbaut worden. Da die Fertigstellung sich offenbar bis in den 2. Weltkrieg hinzog, scheint dieses Bataillon dort aber nicht stationiert worden zu sein. Im weiteren Verlauf des Krieges waren dort Zwangsarbeiter der Krupp-Werke in Essen untergebracht.
Bei der Wahl der „Pionierkaserne“ durch die Engländer war es wohl entscheidend, dass die Gebäude damals noch neu und zweckmäßig für die Unterbringung motorisierter Einheiten waren. Auch die in aufgelockerter Bauweise angeordneten und ansprechend gestalteten Baublöcke dürften gefallen haben, ebenso die großzügigen Grünflächen und die landschaftlich schöne Lage.
Die ersten britischen Soldaten, die in die Kaserne einzogen, gehörten zu einer walisischen Infanterie-Einheit. Daher wurde die Kaserne nach einer kleinen Stadt in Nordwales „Wrexham Barracks“ genannt. Nach einigen Jahren wurde diese Einheit abgezogen; seitdem waren hier fast immer Transporteinheiten stationiert. Nur in den 1960er Jahren wurden sie für einige Jahre durch Artilleriebatterien abgelöst, bis 1970 wieder eine Transporteinheit einzog, die für die ganze britische Rheinarmee zuständig war. 1970 wurde außerdem eine Bildungseinrichtung in Mülheim angesiedelt, das Higher Education Centre. Es bot Lehrgänge für die Soldaten der Rheinarmee an. Eine wichtige Rolle in dieser Bildungseinrichtung spielten Deutsch-Kurse, die nicht nur dienstlichen Zwecken dienen, sondern auch den Kontakt zu den Deutschen verbessern sollten.
Manche Soldaten hatten auch einen privaten Grund, Deutsch zu lernen – sie hatten eine deutsche Frau geheiratet. Längst war aus der Besatzungsarmee ein Bündnispartner geworden. Zur Stadt Mülheim bestanden gute Kontakte, ein Anglo-German-Club hatte zahlreiche deutsche Mitglieder. So bedauerten es viele britische Soldaten, dass sie Mülheim an der Ruhr schließlich verlassen mussten. Im Laufe der Jahre hatte sich ihre Zahl von anfangs 700 auf 250 verringert. Der Abrüstungsprozess führte dazu, dass die britische Armee den Standort Mülheim aufgab und die Kaserne bis zum 30. Juni 1994 räumte.
Für Mülheim an der Ruhr bedeutete dies eine Chance. Aus dem Kasernengelände wurde der Wohnpark Witthausbusch, der sowohl umgebaute denkmalgeschützte Gebäude als auch Neubauten umfasst. Trotz vieler Probleme während der Umgestaltung ist so im Laufe der Jahre aus einer militärischen Einrichtung eine attraktive Wohnsiedlung entstanden.