Als die erste Pferdebahn der Zeche Sellerbeck fuhr

Pferdebahn Sellerbeck, Quelle: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Von: Thomas Emons

Wer glaubt, dass Proteste und Bedenken gegen Baumaßnahmen eine Erscheinung der postmodernen Bürgergesellschaft seien, irrt. Bevor die Sellerbecker Pferdebahn, gewissermaßen als eine Vorläuferin der späteren Eisenbahn, am 15. Januar 1839 zum ersten Mal Kohle von der Dümptener und Winkhauser Zeche Sellerbeck zur den Kohlenmagazinen an der Ruhr transportieren kann, müssen die Eigner der Zeche Sellerbeck, zu denen auch der Kohlehändler und Reeder Mathias Stinnes gehört, harte Kämpfe ausfechten.

Die Bauarbeiten für die Bahnstrecke, die im Juni 1838 beginnen, müssen zeitweise unter Polizei- und Militärschutz stattfinden. Dennoch sind die zuständigen Behörden der Ansicht, „dass die neue Schachtanlage ohne Eisenbahn zu einem wohlfeilen Transport nicht bestehen kann.“ Doch auch der Protest gegen das Projekt der 1819 gegründeten und jetzt expandierenden Zeche Sellerbeck, die damals zu den größten Zechen des Ruhrreviers gehört, ist verständlich. Denn die 3,4 Kilometer lange Gleisstrecke, die von Dümpten und Winkhausen durch Eppinghofen zum Ruhrufer führt, ist ein massiver Eingriff in das Ortsbild und in Eigentumsverhältnisse. 67 Grundstücke müssen enteignet werden. Johann Dinnendahl, der ursprünglich auch für den Bau einer Pferdebahn plädiert, hat plötzlich Bedenken gegen die 4,40 Meter breite Gleisanlagen, die an seiner Friedrich Wilhelms-Hütte vorbeiführen. Auch die rund 200 Kohlenschieber der Zeche Sellerbeck sind nicht begeistert. Denn sie müssen fürchten, durch die Pferdebahn, die an 280 Arbeitstagen eines Jahres 2500 Zentner Kohle von der Zeche zum Fluss bringt, arbeitslos zu werden. Jetzt müssen die Kohlen nicht mehr mit viel Muskelkraft auf Karren geschoben werden, sondern können mit Hilfe des natürlichen Gefälles und bei Bedarf auch mit wenigen Pferdestärken schneller und preiswerter zum Ruhrufer gebracht werden. Die Investition rechnet sich. Den Baukosten von rund 48.000 Talern stehen jährliche Einsparungen von rund 11 800 Talern gegenüber.

Kein Wunder, dass auch andere Zechen vom fortschrittlichen Transportmittel profitieren wollen. Doch die Bahnbetreiber der Zeche Sellerbeck halten sich lange bedeckt, wollen ihren Wettbewerbsvorteil allein auskosten. Erst 1842 darf auch die Zeche Wiesche ihre Kohle mit der Pferdebahn transportieren, die dann in den 1850er Jahren zur Mülheim-Essener Pferdebahn wird. Doch die Pferdebahn ist bereits ein Verkehrsmittel von gestern. Der Zug der Zeit geht hin zur Eisenbahn. Deren Siegeszug beginnt in Mülheim 1862. Aber das ist eine andere Geschichte!

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