Begegnung mit einem Mülheimer Bürgermeister

Der Grabstein von Wilhelm Oechelhäuser auf dem Historischen Friedhof von Dessau
Der Grabstein von Wilhelm Oechelhäuser auf dem Historischen Friedhof von Dessau (Foto: G. Fraßunke)

von: Günter Fraßunke

Im Urlaub kommt es hin und wieder zu Zufallsbegegnungen mit Bekannten, Nachbarn, Schulfreunden … So erging es auch mir im letzten Urlaub.

Geschehen im Mai 2024 während eines Spaziergangs durch Dessau (Sachsen-Anhalt), von 1863 bis 1934 Hauptstadt des Herzogtums Anhalt, später Freistaat bzw. Land Anhalt und nach der Wiedervereinigung Teil des Bundeslandes Sachsen-Anhalt.

Der Historische Friedhof von Dessau ist sehenswert – alte Friedhöfe gehören für viele Touristen zum Pflichtprogramm. Hier fand ich in Stein gemeißelt unverhofft den Namen Wilhelm Oechelhäuser – der siebente Mülheimer Bürgermeister, der bei uns dieses Amt mit 32 Jahren antrat. Der gelernte Kaufmann aus Siegen bekleidete das Bürgermeisteramt von 1852 bis 1856.

Oechelhäuser trat bereits in Mülheim als Multitalent und Organisator ersten Ranges hervor: Er sorgte für die städtische Gasbeleuchtung. Weil Mülheim zu Oechelhäusers Amtszeit immer noch keinen Eisenbahnanschluss besaß, sorgte er mit Engagement aus städtischen Finanzmitteln für die richtige Weichenstellung auf dem Weg von Duisburg über Essen nach Dortmund. Er legte auch den Grundstein für das „Höhere Schulwesen“ in Mülheim.

So einen jungen dynamischen, engagierten und begabten Menschen ereilt dann bald ein Ruf. Für Oechelhäuser kam er aus Dessau, wo er zum Direktor einer Gesellschaft für die Erzeugung und Vertrieb von Stadtgas aufstieg. Ein Pionier war er auch bei der Stromerzeugung – so bekam Dessau als zweite Stadt in Deutschland ein städtisches Elektrizitätswerk.

Wilhelm Oechelhäuser wurde 1878 für die Nationalliberale Partei in den Reichstag gewählt, wo er sich fünf Legislaturperioden (bis 1893) für die Industrialisierung des Kaiserreichs einsetzte. Die Klientel seiner Partei war das national bzw. liberal gesinnte protestantische Bildungs- und Besitzbürgertum. Er trat „engagiert für verantwortungsbewusste Sozialpolitik der Arbeitgeber ein“.

Den 1883 von Herzog Friedrich von Anhalt verliehenen Adelstitel nahm er nur für seine Söhne an. Wilhelm von Oechelhäuser junior (1850-1923) studierte Ingenieurwissenschaft und trat in die Fußstapfen seines Vaters. Er arbeitete eng mit Hugo Junkers in der Entwicklung von Gasmotoren zusammen. 1892 ließen Hugo Junkers und Wilhelm von Oechelhäuser junior einen Gegenkolbenmotor patentieren, der u,a, für die Luftfahrtindustrie wichtig wurde. Der 1852 in Mülheim geborene Sohn Adolf von Oechelhäuser hatte die musischen Gene seines multitalentierten Vaters geerbt und wurde Kunsthistoriker. Vater Wilhelm, unser ehemaliger Bürgermeister, war ja nicht nur Manager, Erfinder und Politiker, sondern auch Gründer der Deutschen Shakespeare Gesellschaft – „eine der ältesten literarischen Gesellschaften Europas, wenn nicht sogar der Welt“ und Übersetzer.

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner