Der Mülheimer Hauptbahnhof im Wandel der Zeit

Bahnhof Mülheim-Eppinghofen, Quelle: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Von: Martin Menke

Der lange Weg zum Hauptbahnhof

Der heutige Mülheimer Hauptbahnhof ist und war eine der kleinsten Bahnstationen im Stadtgebiet. Von den einst sieben Bahnhöfen sind neben ihm heute noch die Bahnhöfe Styrum und Mülheim-West in Betrieb. Der Bahnhof in Broich wurde 1966 abgerissen. Ihm folgte 1978 das Empfangsgebäude in Saarn, nachdem bereits 1968 der Personen- und 1982 der Güterverkehr auf der Ruhrtalbahn eingestellt wurde. Der Personenverkehr von Speldorf über den Hauptbahnhof nach Heißen endete 1970, der Güterverkehr rollte noch bis 2002 über diese Strecke. Das kleine Nachkriegsgebäude am Frohnhauser Weg in Heißen ist noch erhalten, während das imposante Empfangsgebäude der Rheinischen Bahn (RB) mit Verwaltungstrakt in Speldorf 1977 abgebrochen wurde. Heute ist somit nur noch die 1862 eröffnete Bergisch-Märkische Strecke in Betrieb. Die nahezu zeitgleich gebauten Empfangsgebäude Styrum, Mülheim-West und der Hauptbahnhof waren imposante Neubauten, die allesamt um 1910 ihre kleineren Vorgängerbauten ablösten. Betriebstechnisch war zu jener Zeit der heutige „Bahnhof West“ die wichtigste Station. Hier endeten bis zur Verlegung der Ruhrtalbahn die Strecke aus Kettwig, die einer Erweiterung der Friedrich- Wilhelms-Hütte im Wege lag, und die Strecke nach Duisburg-Ruhrort. In dieser zentralen Umsteigestation hielten neben den Nah- auch alle Fernzüge. Die städtebaulich unglückliche Lage zwischen den Röhrenwerken und der Friedrich-Wilhelms-Hütte konnte die Mülheimer Bürger nicht begeistern. Betriebstechnisch war der 1975 abgebrochene Bahnhof hier aber erforderlich, da die Dampfloks mit Schwung über den Heißener Berg in Richtung Essen fahren mussten. Erst mit der Beschaffung modernerer und stärkerer Lokomotiven konnten immer mehr Halte an den heutigen Hauptbahnhof in Eppinghofen verlegt werden.

Als erstes richtete die Rheinische Bahn 1866 am heutigen Standort des Hauptbahnhofs einen Bahnhof ein. Vom Bahnhof Mülheim konnte man nun über Heißen nach Essen und Dortmund bzw. über Speldorf nach Osterath reisen. Diesen innenstadtnahen Standort wollte auch die Bergisch Märkische Eisenbahn (BME) nutzen, deren Bahnhof Mülheim (heute Mülheim-West) bisher zwischen Styrum und der Innenstadt lag. So baute man 1867 ein Empfangsgebäude direkt an das RB-Gebäude an. Allerdings hießen der neue BME-Bahnhof nach dem Ortsteil „Eppinghofen“ und der benachbarte RB-Bahnhof „Mülheim“, weil er direkt in der Stadt lag. Erst 1888 wurden beide Stationen in „Mülheim (Ruhr)“ umgezeichnet, um den umsteigewilligen Reisenden den Wechsel zwischen den beiden konkurrierenden Gesellschaften zu vereinfachen. Doch da es nun zwei Mülheimer Bahnhöfe gab, wobei der in Richtung Styrum liegende Bahnhof an der BME-Strecke Duisburg-Essen den Zusatz „BM“ trug, war die Verwirrung bei Fernreisenden eher größer geworden. Wollte man umsteigen, buchte man weiterhin eine Fahrkarte bis „Mülheim BM“, fand jedoch den Anschlusszug in Richtung Heißen nicht. Denn dieser fuhr im Bahnhof Mülheim – ohne Zusatz – ab. Da dies nicht so bleiben konnte, mussten RB und BME ihren Bahnhof Mülheim in „Mülheim-Eppinghofen“ umbenennen. Eine andere Alternative gab es nicht. Der in Richtung Styrum liegende Bahnhof Mülheim konnte nicht in „Styrum“ umbenannt werden, da eine BME-Station unter diesem Namen schon wenige Kilometer weiter in Richtung Duisburg existierte.

Weil der Eisenbahn- und Straßenverkehr in Eppinghofen zunahm, wurden die Schrankenanlagen direkt vor den Empfangsgebäuden zu einem Ärgernis für die Bevölkerung. Da das Empfangsgebäude nicht mehr der zur Großstadt strebenden Kommune gerecht wurde, sollte neben diesem auch eine Unterführung gebaut werden. Nach längerer Bauphase konnte schließlich am 11. Februar 1911 das neue, gemeinsame Empfangsgebäude eingeweiht werden. Die Turbulenzen des Ersten Weltkrieges überstand das zwischen den Gleisen als Keilbahnhof liegende Bauwerk ohne Schaden. Auch die anschließende Wirtschaftskrise und das Dritte Reich veränderten diese Situation nicht. Vielmehr steigerten sich der Personenverkehr und die für ortsansässige Speditionen wichtige Stückgutabfertigung im Bahnhof Eppinghofen stetig.

Mehrseitige Pläne für einen neuen Mülheimer Zentralbahnhof füllten 1938 die Tageszeitungen. Vorausschauende Planer wollten die Ruhrtalbahn von Broich nach Eppinghofen führen und gleichzeitig die Güterabfertigung von Styrum aus anbinden. Für diese Vorhaben wären erhebliche bauliche Veränderungen erforderlich gewesen, hätten aber das Provisorium in der Innenstadt beendet und für einen „richtigen“ Hauptbahnhof gesorgt. Leider verhinderte der Zweite Weltkrieg diese Pläne. Allerdings verschonten die Bombenangriffe die Mülheimer Bahnanlagen weitestgehend. Erst nach den Sprengungen der Ruhrbrücken 1945 durch die Wehrmacht kam der Verkehr kurzzeitig zum Erliegen. Auch verloren das Empfangsgebäude und das Stellwerk „Müb“ bei einem Bombenangriff ihr markantes Ziegeldach. Die eigentliche Bausubstanz blieb jedoch erhalten. Es dauerte jedoch mehrere Jahre, bis die größten Schäden behoben waren. Wie die Tageszeitungen berichteten, galt der Bahnhof stets als „Wasserbahnhof“, da die neu gegründete Deutsche Bundesbahn (DB) wichtigere Probleme hatte, als das Dach dauerhaft in Stand zu setzen. Immer wieder machten Politiker deshalb bei der DB Druck. So entstand das noch heute vorhandene, flache Notdach. Die zerstörten Bahnsteigdächer konnten auf Grund von Materialmangel erst 1953 wiederaufgebaut werden.

Kurz vor der Umstellung auf den elektrischen Betrieb 1955 benannte man den Bahnhof erneut um. Für fast 20 Jahre hieß der Bahnhof an der Eppinghofer Straße nun „Mülheim (Ruhr) Stadt“. Während der Bauzeit des nördlichen Fußgängertunnels im Jahr 1972 musste der durchgängige Betrieb auf den mittleren Gleisen eingestellt werden. Die Triebwagen endeten unspektakulär an einem Prellbock vor der Baustelle. Die Umsetzanlage am Ende des Bahnsteiges in Richtung Essen – vor der einstigen Malzfabrik Schroer – war bis 1997 in Betrieb und diente zuletzt der S-Bahn, falls diese wegen Störungen in Mülheim enden musste.

1974 erhielt Mülheim, zumindest dem Namen nach, den ersten richtigen Hauptbahnhof. Dieser neue Status kostete die Stadt Mülheim 100.000 DM, den die Bahn für die Umbenennung und Änderung ihrer Unterlagen einforderte. Fortan hielten auf Gleis 1 und 6 die Fernzüge und auf den Gleisen 2 und 5 die S-Bahnen. Durch dieses neue Nahverkehrsangebot stieg die Zahl der Züge von 480 auf 700 täglich an. Da für die Reisenden heute das Fehlen der Gleise 3 und 4 verwunderlich ist, hier die Erklärung: Bis 1970 fuhren an einem weiteren Bahnsteig (Gleis 3 und 4) an der Südseite des Bahnhofs die Züge nach Heißen und Speldorf ab.

Auch das Umfeld änderte sich in diesen Jahren stetig. 1967 wurde das Stellwerk „Müb“ der RB stillgelegt und die Gleisanlagen stark zurückgebaut. Für Personenzugverbindungen blieb der Bahnsteig 3 zunächst erhalten. Auf der frei werdenden Fläche des Güterbahnhofs entstand der Durchgang zum City Center (heute Forum) mit einer unterirdischen Haltestelle für Straßenbahnen, die heute als Busbahnhof genutzt wird. Auch der Bau der U-Bahn (U 18) mit großen, offenen Baustellen sorgte lange Zeit für ein unansehnliches Bild am Hauptbahnhof. Weitere Veränderungen bestanden in der Stilllegung der oberirdischen Straßenbahnlinien 5 und 15 (heute 102) mit der Haltestelle vor dem Empfangsgebäude und der Erneuerung der Brücke der RB 1980. Neben der alten Brücke mit aufwendig gestalteten Stützen wurde ein schlichtes Betonbauwerk für den Güterverkehr gebaut. Die neu verlegten Gleise direkt am Empfangsgebäude ermöglichten im Bereich der alten Gleisführung einen Übergang zum Einkaufszentrum und zum Gebäude der Sparda Bank.

Wenig veränderte sich am unschönen Bahnhofsvorplatz. Seit über 70 Jahren sorgt er für Diskussionsstoff: Zuerst fehlte etwas Grün. Abhilfe schaffte man durch Bepflanzung der Bahndämme. Dann störten die Lastwagen mit Stückgutverkehr und die unzureichende Anzahl an Parkplätzen. Auch fanden die Lokale und Geschäfte nicht immer den Zuspruch der Politiker. Nach kleineren Eingriffen zur Verbesserung der Situation gibt ein Wettbewerb zur architektonischen und städtebaulichen Aufwertung auch des Umfeldes Grund zur Hoffnung. Es gewann ein Entwurf, der vorsieht, das alte Gebäude zu erhalten, herzurichten und weiter zu nutzen. 

Die Bauwerke

Das aus Ziegel- und Natursteinen gemauerte, vom Regierungsbaumeister Steinbrink geplante Empfangsgebäude mit einer großen lichtdurchfluteten Schalterhalle wird an beiden Seiten von Anbauten eingefasst. Der mittlere, gerundete Bauteil tritt vorspringend und überhöht hervor und wird von der vertikal nach oben strebenden Fensteranlage mit Pfeilervorlagen dominiert. Das hier angeordnete Eingangsportal war bis zum Bau der beiden seitlichen Verbindungstunnel der einzige Zugang zu den Gleisen. Auf der rechten Seite befanden sich früher die Fahrkartenschalter, links gab es Schließfächer. Hinter einer weiteren Türe befand sich der auch von außen zugängliche Bereich der Gepäck- und Stückgutabfertigung. Gegenüber dem Eingang lag der Wartesaal für die 1. und 2. Klasse. Die später eingerichtete Bahnhofswirtschaft konnte nie die Gunst der Mülheimer gewinnen. Denn schon bei der ersten Nutzung stellten die Reisenden mit Bedauern fest, dass trotz der 415 Fensterscheiben kaum Licht einfiel. Die meisten der kleinen Scheiben erhielten ihr Tageslicht nur durch einen Lichtschacht. Dagegen erwiesen sich die Kronleuchter mit elektrischer Beleuchtung als recht imposant. Der Wartesaal 3. und 4. Klasse, links daneben, war mit hellgrauen Lasurplatten, grün-braun-schwarzem Fries und grüner Decke ausgestattet. In der ersten Etage und einem größeren Anbau mit ausgebautem Dachgeschoss (bis 1945) war bis zum 1.6.1990 die Verwaltung der Mülheimer Dienststelle untergebracht.

Der Bahnhofsvorplatz wurde und wird zum Teil noch heute auf beiden Seiten von unter den Gleisanlagen angesiedelten Geschäften gesäumt. Jenseits der beiden Brücken reichte die Bebauung mit mehrgeschossigen Stadthäusern und einem Bahnhofshotel direkt bis an die Bahntrasse heran. Das Hotel auf der Eppinghofer Seite musste aber schon bald dem viergleisigen Ausbau weichen. Unter den Bahnsteiggleisen befand sich der Lagerraum für Stückgut. Über je zwei Aufzüge pro Bahnsteig rollten die Hand- bzw. Elektrokarren zu den wartenden Gepäckwagen der Züge. Für die Reisenden gibt es seit 1974 neue Warteräume mit Heizung auf den Bahnsteigen und eine Bahnsteigüberdachung. Die je zwei gegenüberliegenden Treppenanlagen mit den 1972 eingebauten Rolltreppen wurden 1996 um zwei gläserne Aufzüge ergänzt.

Bauarbeiten am Hauptbahnhof Mülheim 2016, Quelle: Danny Gießner

Zukunftsaussichten

Im Laufe der letzten 100 Jahre wechselte das Zugangebot ständig. Längere Zeit fuhren nur Nahverkehrszüge, nach Aufnahme des elektrischen Betriebes konnte man, auch ohne umzusteigen, Ziele im Ausland wie Bozen, Amsterdam, Innsbruck oder Basel, aber auch Dresden oder Leipzig in der damaligen DDR erreichen. Doch nach und nach strich man wichtige Fernzugverbindungen. Durch massive Proteste der jeweiligen Oberbürgermeister und Oberbürgermeisterinnen erschienen in den neuen Fahrplänen wieder einige lohnenswerte Fernzugverbindungen, darunter auch vom ICE bediente. Einer dieser Hochgeschwindigkeitszüge trägt seit dem 30. September 2004 den Namen „Mülheim an der Ruhr“, nachdem der Premierenzug mit den Festgästen noch den bahntechnischen Namen „Mühlheim (Ruhr)“ mit doppeltem „h“ trug.

Die Aussichten des Bahnhofs, wenn nicht auch als Fernverkehrs- so doch zumindest als Nahverkehrsknoten zu bestehen – und Mülheim braucht ihn unbestritten – sind gut.

(Beitrag aus: Zeugen der Stadtgeschichte – Baudenkmäler und historische Orte in Mülheim an der Ruhr. Hrsg. vom Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr e.V., Klartext Verlag, Essen 2008)

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