Eingemeindung der Landgemeinden: Mülheim wird kreisfrei

1904: Eingemeindung der Landgemeinden (Quelle: Stadtarchiv)
1904: Eingemeindung der Landgemeinden (Quelle: Stadtarchiv)

von: Johannes Fricke

Die Mülheimer hatten seit Jahrhunderten in den unveränderten Grenzen der Herrschaft Broich und der ganz von dieser umschlossenen kleinen Herrschaft Styrum gelebt. Diese Grenzen umfassten im Norden ganz Alstaden, Styrum und Dümpten, im Osten auch Haarzopf. Im Süden dagegen gehörten Selbeck, Mintard und Ickten noch nicht dazu. Selbst die Franzosen hatten bei der Gründung der Munizipalität Mülheim im Jahr 1808 nach einem Einspruch der Mülheimer auf eine Teilung des Mülheimer Gebiets verzichtet. Erst 1847 kam es gegen den Willen von Bürgermeister und Gemeinderat zu einer Trennung, als sich die Mehrheit der so genannten „Meistbeerbten“, also der wohlhabenden Bürger Mülheims, die einer bestimmten Steuerklasse angehörten, für die Einführung einer neuen Städteordnung mit Abtrennung der Landgemeinden aussprach und der preußische König dies auch verfügte. Daraufhin umfasste die Stadt Mülheim nur die heutige Innenstadt, die Landbürgermeisterei aber den größten Teil Mülheims.

Stadt und Landbürgermeisterei gehörten zusammen mit anderen Orten zum Kreis Duisburg. Als Duisburg 1874 aus dem Kreis ausschied, wurde der Sitz der Kreisverwaltung nach Mülheim an der Ruhr verlegt. Das starke Bevölkerungswachstum in der Zeit der Industrialisierung führte wiederholt zu Verwaltungsneugliederungen. Im Jahr 1878 wurde die Landbürgermeisterei in die drei Bürgermeistereien Broich, Heißen und Styrum aufgeteilt; die Gemeinden Eppinghofen und Mellinghofen kehrten zur Stadt Mülheim zurück.

Als Dr. Paul Lembke im Jahr 1900 Landrat des Kreises Mülheim an der Ruhr wurde, stellte sich bald die Frage nach einer Auflösung dieses Kreises. Oberhausen schied ein Jahr später mit Erreichen einer Einwohnerzahl von 40.000 aus. Auch die Stadt Mülheim näherte sich dieser Zahl, mit der Städte selbstständig wurden. Der Landrat, der sich schon 1902 auf Anfrage der Stadt Mülheim zur Übernahme der vakanten Stelle des Oberbürgermeisters bereit erklärt hatte, bemühte sich darum, das gesamte Mülheimer Gebiet wieder zusammenzufügen. Da dies im Landtag noch nicht durchsetzbar war, wurde angestrebt, den größten Teil der Gemeinden aus den Bürgermeistereien in die Stadt Mülheim einzugemeinden. Die Verhandlungen gestalteten sich zum Teil schwierig. Vor allem der Bürgermeister von Broich, ein ehemaliger Hauptmann, befand sich im „Kriegszustand“ mit Mülheim.

Am 1. Januar 1904 wurden die Bürgermeisterei Broich (mit den Gemeinden Broich, Speldorf und Saarn) und die Gemeinden Holthausen und Styrum in die Stadt Mülheim an der Ruhr eingemeindet, die an diesem Tag kreisfrei wurde. Einen Tag später wurde Dr. Paul Lembke in das Amt des Oberbürgermeisters eingeführt. Er blieb dies bis 1928 und gilt als bedeutender Oberbürgermeister, der Mülheim – nicht nur zahlenmäßig – zur Großstadt machte. Der 100.000. Bürger Mülheims wurde 1908 geboren.

Wie von Lembke geplant, konnte der Rest des Landkreises nicht lange überleben und fiel bei seiner Auflösung 1910 zum Teil an Mülheim, so dass die Teilung Mülheims jetzt fast ganz überwunden war. Einige Gebiete im Norden und Osten (Alstaden, Haarzopf und Teile von Styrum, Dümpten und Fulerum), die von alters her zu Mülheim gehört hatten, sind jedoch nicht zurückgekehrt, während später im Süden ganz neue Gebiete erworben wurden.

(aus: Mülheimer Zeitzeichen, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Mülheim an der Ruhr, Band 1)

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