von: Thomas Emons
In der seit den 1980er Jahren unter Denkmalschutz stehenden Mülheimer Mausegattsiedlung, die vor 125 Jahren vom Mülheimer Bergwerksverein als „Colonie Wiesche“ errichtet wurde, leben heute nur noch wenige ehemalige Bergleute. Vor fast 50 Jahren wurde die Siedlung weitgehend privatisiert. Die meisten der ehemaligen Mieter wurden zu Hauseigentümern, die ihr Eigentum später verkauften oder vererbten. Heute pflegen die Siedlergemeinschaft und ein Förderverein die gute Nachbarschaft an der Mausegattstraße und an der Kreftenscheerstraße. Die Straßen tragen seit 1914 die Namen ehemaliger Kohlenflöze. Außerdem erinnert eine 2006 vom Mülheimer Bildhauer Jochen Leyendecker geschaffene Bergmannsskulptur und Kohleloren am Siedlungseingang an den bergmännischen Ursprung der Siedlung, die heute aus 200 Haushalten besteht und ihr Jubiläum unter anderem mit einem Tag der Nachbarschaft am 26. Mai (ab 11 Uhr), mit einem Spielplatzfest am 20. Juni (ab 15 Uhr) und mit einem großen Siedlungsfest am 23./24. August (ab 15 und 17 Uhr) feiert. Außerdem kann man am Tag des Offenen Denkmal (8. September) die Mausegattsiedlung ab 11 Uhr bei einer Führung erkunden.
Die 1937 geborene Inge Steinbach zog 1954 mit ihrer Familie in ein Zechenhaus an der Mausegattstraße ein, wo sie mit ihren Eltern und drei Geschwistern lebte. Ihr Vater und ihr Ehemann waren Bergleute auf der Zeche Wiesche. Inge Steinbach gehört heute zu den ältesten Bewohnerinnen der Siedlung. Sie erinnert sich: „1954 wurde die Mausegattstraße asphaltiert. Wir hatten dreieinhalb Zimmer und bezahlten 25 D-Mark Miete pro Monat. Jährlich bekamen wir 125 Zentner Kohle als Bergmannsdeputat. Die Kohle wurde fünfmal pro Jahr von der Zeche angeliefert. Die Kohle mussten wir von der Straße in unseren Keller schleppen. Zum Haus gehörte ein Garten, in dem wir unter anderem Kartoffeln angebaut haben, ein Hof und ein Schweinestall, den wir zur Waschküche umgebaut haben. Manche Nachbarn hatten auch eine Ziege im Garten. Unser ehemaliger Schweinestall wurde 1962/63 zum Badezimmer umgebaut. Bis dahin hatten wir ein Plumpsklo im Garten. Dessen Sickergrube wurde regelmäßig von der Zeche ausgepumpt. Samstags wurde in der Küche in einer Zinkwanne gebadet. Das Badewasser haben wir auf dem Herd heiß gemacht. Die Bergleute brauchten nicht zuhause baden, weil sie ja auf der Zeche duschen konnten. Einige der Bergmannswitwen, deren Männer im Krieg gefallen waren, hatten auch einen Kostgänger im Haus, der bei ihnen zur Miete wohnte, von ihnen verköstigt wurde und ihnen hier und dort half. Durch dieses zusätzliche Geld hatten die Witwen ein leichteres Leben. Der eine oder andere Kostgänger blieb dann später auch als Ehemann oder Schwiegersohn in der Siedlung. Mein Mann und seine Kollegen gingen damals zu Fuß zur Zeche Wiesche. Zuletzt arbeitete er ab 1962 auf der letzten Mülheimer Zeche Rosenblumendelle. Nach deren Stilllegung am 29. Juli 1966 wechselte er zu Mannesmann.“