Die Eröffnung der Kettenbrücke

Die Kettenbrücke von 1844: Erste Brücke über die Ruhr auf Mülheimer Stadtgebiet (Quelle: Stadtarchiv)

von: Johannes Fricke

Bis 1844 war die Überquerung der Ruhr von Mülheim nach Broich nur mit einer Fähre möglich, die schon seit Jahrhunderten beide Seiten der Ruhr miteinander verband und immer vom Wasserstand abhängig war. Bei Hochwasser musste der Verkehr eingestellt werden, so dass die Uferbewohner tage- oder wochenlang getrennt waren. Auch die Mülheimer Zechen konnten dann keine Kohlen mit Wagen in das niederbergische Gebiet transportieren. Als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der frühen Phase der Industrialisierung, Bevölkerung und Wirtschaftstätigkeit zunahmen, konnte die Fähre den Verkehr nicht mehr bewältigen, so dass über den Bau einer Brücke nachgedacht wurde. Auch militärische Überlegungen dürften dabei eine Rolle gespielt haben.

1835 ergriff die Regierung in Düsseldorf die Initiative. Mülheim wurde als Standort für eine Brücke ausgewählt, weil hier mehrere Straßen zusammentrafen, die über die Ruhr führten. Es begannen lange und schwierige Verhandlungen, die schließlich dazu führten, dass der preußische Staat die Brücke auf eigene Kosten errichtete und die Stadt dazu einen finanziellen Beitrag leistete. Am 6. August 1842 wurde der Grundstein gelegt, am selben Tag, an dem der Schlussstein für das erste Mülheimer Rathaus gesetzt worden war. Man sieht, dass Mülheim sich im Aufstieg befand.

Aus Kostengründen wurde eine Kettenbrücke errichtet, eine der wenigen Brücken dieser Art in Deutschland. Da die Fahrbahn der Kettenbrücken an Ketten und Hängestangen aufgehängt ist, sind sie nicht so stabil wie Steinbrücken und können bei starker Belastung erheblich ins Schwanken kommen. Die Mülheimer Kettenbrücke war offenbar relativ stabil gebaut. Immerhin durfte auf ihr aber nicht im Gleichschritt marschiert werden; auch sollten sie nicht mehr als 1000 Personen gleichzeitig betreten.

Die Eröffnung der „schönsten Brücke Deutschlands“ wurde schließlich am 13. November 1844 gefeiert. Am Festtag bewegte sich ein riesiger Festzug vom Marktplatz zur Brücke, wo er mit Geschützsalven empfangen wurde. In Reihen von sechs Personen, angeführt von den Baubeamten und Technikern, überquerte er die Brücke und zog zum Schloss Broich. Dort, unter der Linde, wo schon die Prinzessin Luise geweilt hatte, wurden die Festreden gehalten. Anschließend fuhren zwei vierspännige Kohlenwagen über die Brücke. Die Kettenbrücke galt seitdem als Wahrzeichen der Stadt, auf das die Mülheimer stolz waren. Sie wurde in Gedichten und Liedern gefeiert und immer wieder gerne auf Bildern und Postkarten abgebildet. Allerdings musste für ihre Benutzung auch Brückengeld bezahlt werden.

Das stürmische Wachstum Mülheims in den folgenden Jahrzehnten führte dazu, dass die Kettenbrücke den Belastungen nicht mehr gewachsen war und 1874/75 durch zahlreiche Stahlträger verstärkt werden musste. Dies konnte die Entwicklung jedoch nicht aufhalten, so dass die Kettenbrücke 1909 zum großen Leidwesen der Mülheimer abgerissen und durch eine neue Steinbrücke ersetzt wurde; dieser wiederum folgte 1960 die heutige Schloßbrücke.

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