Von: Thomas Emons
Der 22. Januar 1856 gehört zu den helleren Tagen der Stadtgeschichte. Denn an diesem Tag geht den Mülheimern ein Licht auf. Dafür sorgen 60 Gaslaternen, die jetzt Mülheims Hauptstraßen und Plätze beleuchten. Ein am Vortag rechtskräftig gewordener Vertrag mit der Berliner Firma Schulte & Köpp und deren Geschäftspartnern von der Deutschen Continentalgesellschaft macht es möglich, dass die Mülheimer nicht länger im Dunkeln tappen, wenn Abend und Nacht hereinbrechen.
Zugegeben: Ganz finster sah es auch davor in Mülheim nicht aus. Schon 1849 hatten die Stadtväter Öllaternen aufstellen lassen, waren mit deren Leuchtkraft aber alles andere als zufrieden. Deshalb machte sich Bürgermeister Wilhelm Oechelhäuser, später übrigens Direktor der Deutschen Continental, schon 1853 dafür stark, bei der Straßenbeleuchtung endlich Gas zu geben. Das hatte eine vorausschauende Frau, die Witwe des Kupferschlägers Wilhelm Nocken, schon 1840 getan. Sie hatte sich in ihrem Haus an der Delle den ersten Gasanschluss Mülheims legen lassen.
Männer brauchen eben manchmal etwas länger, um erleuchtet zu werden. Zum Vergleich: in London wurde bereits 1814 die erste Gaslaterne eingeschaltet. Aber Mülheim ist ja auch nicht London. Doch lieber spät als nie finden Mülheims Stadtväter 1854/55 mit Köpp, Schulte und der Deutschen Continental private Partner, um mit dem Bau von Gasleitungen und einem Gaswerk an der Friedrich-Ebert-Straße die technischen Voraussetzungen für die öffentliche Erleuchtung zu schaffen.
Die schreitet rasant voran, so rasch, dass die Rhein-Ruhr-Zeitung im Januar 1861 über zu hastig und schadhaft installierte Gasleitungen berichtet. Doch die Gasversorgung macht ab 1866 in städtischer Regie Fortschritte. Aus den 60 Gaslaternen anno 1856 sind 1903 schon 765 geworden. Anfangs werden nur das Rathaus und zentrale Straßen und Plätze beleuchtet. Doch mit dem steigenden Gasverbrauch sinken die Preise. Jetzt können auch Privatleute ihr Heim mit Gas heller und wärmer machen. Werden 1856 199.000 Kubikmeter Gas via Leitung an den Kunden gebracht, sind es 1907 schon fast 5,8 Millionen Kubikmeter. Damit stößt das städtische Gaswerk an seine Grenzen. Jetzt liefert Thyssen der Stadt Ferngas, ehe ab 1940 die Rhenag und seit 1998 Medl den Mülheimern Gas gibt. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte, ebenso wie die in den 1950er Jahren beginnende Umrüstung auf elektrische Straßenbeleuchtung, die 1961 Mülheims letzte Gaslaterne erlöschen lässt.