Von: Dirk von Eicken
Als am 15. Dezember 1853 in Holthausen ein kleines Mädchen geboren wurde, konnte niemand ahnen, dass
Helene Reick
zu ihrer Zeit einmal die älteste Mülheimerin werden sollte. Das Schicksal hatte für Helene ein Leben weit über das normale biblische Alter hinaus vorgesehen. Zur Welt kam sie im Haus Holthausen 124, hoch oben im vorderen Rumbachtal, als Tochter von Heinrich Reick und Gertraud geb. Schroer.
Später erwarb die Familie Haus und Grundstück Holthausen 112 (heute Kuhlendahl 65) und zog dorthin um. Die Häuser lagen nur ca. 150 m weit voneinander entfernt.
Helene ist unvermählt geblieben. Stolz war sie, dass sie mit über hundert nicht eine einzige Falte auf der Stirn hatte. „Das kommt davon, dass ich mich nie mit Männern herumärgern musste“, pflegte sie dann zu sagen.
Bereits im Jahre 1937 vermachte die damals 83-jährige der Marienpfarre ihr Grundstück und zog dafür in das Franziskushaus, um dort ihre letzten Lebensjahre zu verbringen. Für das ansehnliche Vermächtnis erschien es der Pfarre ein kleines Entgegenkommen, den restlichen Lebensunterhalt der einsamen alten Dame zu bestreiten. Doch wie so oft kam alles anders. Den Großangriff im Zweiten Weltkrieg auf Mülheim in Juni 1943, bei dem das Franziskushaus schwer getroffen wurde, überstand sie bei bester Gesundheit. Helene Reick wurde nach Vallendar evakuiert und fand hier im Stift der Schönstetter Schwestern eine neue Heimat. Aber die Verbindung zur alten Heimat Holthausen brach nicht ab. Jedes Jahr zu Weihnachten erhielt sie Besuch von ehemaligen Nachbarn und Freunden, die ihr einen reichen Gabentisch deckten. Sie liebte eine gute Tasse Bohnenkaffee und das eine oder andere Gläschen Wein. „Der Herrgott hat mich vergessen“, meinte die alte Dame wenn das Wort „Sterben“ fiel.
Nachdem Sie fast 20 Jahre auf Kosten der Marienpfarre gelebt hatte, starb Helene Reick im Mai 1956 fern der Heimat. Ihrem Wunsch entsprechend wurde sie aber in der alten Heimat auf dem Holthauser Friedhof bestattet. Selbstverständlich, dass auch eine Ehrenabordnung des Heimes am offenen Grab der 102-jährigen weilte.
Bis in die heutige Zeit aber bewirkt das Erbe der Helene Reick Gutes in Mülheim
Auf dem großen Grundstück wurde bereits 1953 das noch heute bestehende Gebäude „Pastor-Jakobs-Haus“ errichtet und sozial genutzt: zuerst als ‚Jungmänner-Wohnheim St. Michael‘, Niederlassung der missionsärztlicher Schwestern, als „Afrikanum“ – Heim für Schwarzafrikaner, die in Mülheim eine Ausbildung absolvierten und später dann als Mädchenwohnheim.
Das Pastor-Jakobs-Haus gehört heute dem Bistum Essen, es beherbergte zum Schluss Einrichtungen des Essener Caritasverbandes, später ein Lehrerfortbildungsinstitut. 2015 war die letzte Nutzung als Flüchtlingsunterkunft. Seitdem steht es leer.