Mülheims Anschluss an das Eisenbahnnetz

Eisenbahnbrücke über die Ruhr (Quelle: Stadtarchiv)

von: Johannes Fricke

Als am 1. März 1862 der erste Zug in Mülheim an der Ruhr hielt, wurde dies nicht so groß gefeiert, wie man meinen sollte. Dabei handelte es sich um ein Ereignis, dessen Bedeutung man kaum überschätzen kann und das für Mülheim alles veränderte. Es war gelungen, eine Eisenbahnlinie, die die Hauptstrecke des Ruhrgebiets werden sollte, durch die Stadt zu legen. Diesem Erfolg waren zwei Jahrzehnte von Planungen und Auseinandersetzungen vorausgegangen.

Die erste Eisenbahnstrecke in unserer Gegend wurde 1847 von der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft eröffnet. Trotz intensiver Bemühungen Mülheims gelang es nicht, sie über Mülheim zu führen. Die Regierung, die sie vor allem als Fernverbindung betrachtete, interessierte sich wenig  für die Anbindung der Ruhrgebietsstädte. Aus Kostengründen und auch weil die damaligen Lokomotiven starke Steigungen noch nicht bewältigen konnten, entschied man sich für eine Streckenführung durch das Flachland über Oberhausen und Gelsenkirchen, damals noch ganz am nördlichen Rand des Ruhrgebiets.

In den folgenden Jahren wurde von den konkurrierenden Eisenbahngesellschaften, die sich etwas verausgabt hatten und beim Bau neuer Strecken eine Pause einlegten, weiter geplant. Die Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft wollte mit einer neuen Linie erstmals in das Ruhrgebiet vorstoßen und ihre Stellung damit erheblich stärken. Für die Zechen, die bisher kaum Möglichkeiten hatten, die Kohle mit der Eisenbahn abzutransportieren, und für die Städte, deren Anbindung bisher am Geldmangel gescheitert war, ergab sich dadurch eine große Chance.

Zunächst bestand die Gefahr, dass auch diese Strecke Mülheim umgehen würde. In dieser Situation gelang es Wilhelm Oechelhäuser, dem Mülheimer Bürgermeister von 1852 bis 1856, die Mülheimer zu einem geschlossenen Eintreten für die Eisenbahn zu bewegen und Kapital für den Bau aufzubringen. Daraufhin wurde 1856 der Bau der Eisenbahnstrecke beschlossen, die schließlich von Dortmund über Bochum, Essen, Mülheim (über Styrum) nach Duisburg und Oberhausen führte. 1858 wurde die Konzession durch den König erteilt.

Nach dem Weggang Oechelhäusers schien die Begeisterung der Mülheimer für die Eisenbahn nachzulassen. Sicherlich spielten dabei unterschiedliche Interessen eine Rolle. Während die Industriebetriebe einen Bahnanschluss dringend wünschten, befürchteten die Ruhrschiffer zu Recht, dass die Kohlenschifffahrt von Mülheim aus ruiniert würde, weil die Kohle mit der Eisenbahn preiswerter nach Ruhrort zu den Rheinschiffen gebracht werden konnte. Daher setzten sie einen Weiterbau der zum Mülheimer Hafen führenden Sellerbecker Pferdebahn bis zu Essener Zechen durch. Dies konnte den Niedergang der Ruhrschifffahrt aber letztlich nicht verhindern. So führte die Eisenbahn zum Ende der Kohlenschifffahrt auf der Ruhr, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der wichtigste Wirtschaftszweig Mülheims gewesen war. Zugleich war die Eisenbahn die Voraussetzung für eine gewaltige Entwicklung der Industrie, vor allem der Stahlindustrie, die die Kohlenschifffahrt als dominierenden Wirtschaftszweig ersetzte.

(aus: Mülheimer Zeitzeichen, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Mülheim an der Ruhr, Band 1)

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