Mülheims zweiter Nobelpreisträger: Benjamin List

Benjamin List (Mitte) beim Eintrag ins Goldene Buch, Foto: Stadt Mülheim an der Ruhr/PR-Foto Köhring

Von: Sarah-Lena Gombert

Zugegeben – es war nicht gerade Liebe auf den ersten Blick, als Benjamin List, Mülheims zweiter Nobelpreisträger, im Jahre 2003 auf dem Kahlenberg einzog. Der Chemiker und seine junge Familie hatten gerade ihre Siebensachen im sonnigen Kalifornien zusammengepackt und waren zurück nach Deutschland gekommen, weil List eine Stelle am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung (MPI) angetreten hatte. Er vermisse den Strand, die Wale und das kalifornische Wetter, sagte der Forscher immer wieder in Interviews, doch die hervorragenden Arbeitsbedingungen am MPI und die Kollegen an der Kohlenforschung sprachen eindeutig für Mülheim.

Geboren wurde List jedoch nicht an der von ihm so geliebten US-amerikanischen Westküste, sondern am 11. Januar 1968 in Frankfurt am Main. Gemeinsam mit seinen Brüdern wuchs er im Hause seiner Mutter auf. In der Zeit, als Frankfurt sich gerade zur deutschen Finanzmetropole entwickelte, erlebte List eine Kindheit mit vielen Freiheiten – teils gezwungenermaßen, denn seine Mutter war alleinerziehend. Stichwort Familie: Für Wissenschaftsfans lohnt sich durchaus ein Blick in den List‘schen Stammbaum.  Denn Benjamin List ist Urenkel des Arztes Franz Volhard und Ururenkel des Chemikers Jacob Volhard, welcher wiederum Schüler bei Justus von Liebig war. List ist zudem ein Neffe der Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, die 1995 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet wurde.

Für Chemie interessierte Benjamin List sich bereits im Alter von elf Jahren. Gemeinsam mit einem Freund wurden im Keller eines Frankfurter Wohnhauses erste Experimente durchgeführt – zumindest solange, bis der Apotheker – bis dahin zuverlässiger Chemikalienlieferant für die Jungen – feststellen musste, dass Schwarzpulver hergestellt wurde und nicht etwa, wie behauptet, Waschmittel für die Mutter. Sei’s drum: auch ein misslungener Schwarzpulver-Versuch und ein mürrischer Apotheker konnten List nicht davon abhalten, ein Chemiestudium zu beginnen.

So führte der Weg Benjamin List zunächst an die Freie Universität Berlin, wo er sein Chemiestudium 1993 mit dem Diplom abschloss. Es folgten Stationen als Doktorand bei Johann Mulzer an der Universität Frankfurt sowie als Postdoktorand und Assistenzprofessor am Scripps Research Institute in La Jolla in Kalifornien.

Eben dort gelang List auch jener Versuch, der ihm 2021 den Nobelpreis für Chemie einbrachte: die Entdeckung eines ganz besonderen Katalysators. Als Katalysator bezeichnet man molekulare „Werkzeuge“, die dafür sorgen, dass chemische Reaktionen schneller vollzogen werden oder überhaupt erst in Gang kommen. Lange Zeit war man in der Chemie davon ausgegangen, dass es nur zwei Sorten von effizienten Katalysatoren gibt: Metallhaltige Komplexe, wie man sie beispielsweise auch vom Abgaskatalysator im Auto kennt und Enzyme, also riesige biologische Moleküle, wie sie auch im menschlichen Körper vorkommen. List konnte jedoch nachweisen, dass auch einfache, organische Moleküle wie beispielsweise die Aminosäure Prolin, durchaus als Katalysatoren taugen. Heute werden die sogenannten Organokatalysatoren beispielsweise in der Herstellung von Medikamenten oder Duftstoffen eingesetzt.

Die Organokatalyse hat sich seit dieser Entdeckung von einem kleinen Nischenthema zu einem breitgefächerten Ast innerhalb der Chemie entwickelt: Hunderte Arbeitsgruppen weltweit forschen in diesem Bereich, so auch das rund 50-köpfige internationale Team von Benjamin List. Mitten in Mülheim.

Apropos Mülheim: Mittlerweile hat List die Stadt kennen- und lieben gelernt, beispielsweise bei den täglichen Spaziergängen mit seinem Hund entlang der Ruhr oder durch den Witthausbusch. Doch in einer Sache ist er seiner Heimatstadt treu geblieben: beim Fußball. Benjamin List ist Fan von Eintracht Frankfurt – und seit 2021 sogar Ehrenmitglied des Vereins.

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