/

100 Jahre Rettung in und an der Ruhr

Sommer 1929 an der ersten schwimmenden Rettungsstation am Kahlenberg, Foto: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Sommer 1929 an der ersten schwimmenden Rettungsstation am Kahlenberg, Foto: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

von: Thomas Emons

Am 19. April 1925 treffen sich in der Gaststätte Ruhrschlösschen am Broicher Ruhrufer 30 Menschen aus Mülheim, um einen Bezirk der seit 1913 landesweit bestehenden Deutschen Lebensrettungsgesellschaft zu  gründen. Das liegt in der Stadt am Fluss nahe. Zum ersten Bezirksleiter wird der Stadtbadinspekor Albert Roß gewählt. Die Geschäftsführung des Bezirks übernimmt sein Schwimmmeisterkollege, Walter Werny. Er hat 1920 als erster Mülheimer eine Rettungsschwimmausbildung der DLRG abgeschlossen. Nichtschwimmer zu Schwimmern und Schwimmer zu Rettungsschwimmern zu machen, ist das zentrale Anliegen der DLRG. Zu den Gründern gehören unter anderem Schwimmmeister, Lehrer, Handwerker, Polizeibeamte und Feuerwehrleute. 1925 ertrinken 477 Menschen an Rhein und Ruhr. Auch mit Hilfe der Mülheimer DLRG sinkt diese Zahl in den kommenden 15 Jahren auf 94. Bei den jährlich 6000 Schwimmstunden werden rund 4000 Kinder und Jugendliche von Nichtschwimmern zu Schwimmern. 

DLRG-Mann Walter Werny entwickelt 1928 einen 90 Gramm schweren Rettungsball mit Schlaufen, der bald landesweit viele Menschen retten wird. Eine wichtige Basis für die Trainingsstunden und Schwimmkurse der DLRG ist das 1912 eröffnete und 1998 geschlossene Stadtbad am Innenstadt-Ufer der Ruhr. 1929 eröffnet die DLRG unterhalb des Kahlenbergs eine schwimmende Rettungsstation. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise machen die inzwischen 200 Mitglieder aus der Not eine Tugend. Sie bilden Erwerbslose, die mit ihren Familien am Ruhrstrand campieren, zu Rettungsschwimmern aus.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 muss sich die DLRG das Stadtbad mit der SA und der HJ teilen. Dennoch fördern die Nationalsozialisten die damals von dem Arzt Anton Lohmann geführte DLRG, weil sie aufgrund ihres Körperkults und ihrem Ziel der vor militärischen Körperertüchtigung Schnittmengen mit den Lebensrettern sehen. Doch die Kriegspolitik Hitlers bringt die Arbeit der DLRG 1942 zum Erliegen. Auch nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und der NS-Diktatur können die Lebensretter um den Arzt Anton Lohmann und den Karosseriebaumeister und späteren städtischen Schwimmmeister Theo Doetsch ihre Arbeit nur sehr eingeschränkt fortsetzen, da die britische Militärregierung das Stadtbad beschlagnahmt hat. Doch ab 1947 finden dort mit Genehmigung der Briten wieder erster Kurse der DLRG statt, die sich am 8. März 1948 im Hotel Handelshof neu gründet. Die Anfänge sind bescheiden. Der 1980 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Theo Doetsch baut mit einigen Kameraden aus Abfallblechen erste Rettungsboote und im Mai 1950 kann vis-a-vis das Kamenbergs wieder eine schwimmende Rettungsstation in Betrieb genommen werden. 

Mit der Inbetriebnahme des ersten Motorbootes (1952) und einer festen Rettungsstation am Mendener Ruhrufer (1959) erlebt die seit 1956 von dem Arzt Erich Riebartsch geleitete DLRG ihr Wirtschaftswunder. In den 1960er Jahren professionalisiert der Mülheimer Bezirk sein Bootsflotte und die Ausbildung seiner Bootsfuehrer. Ab 1975 gibt es bei der DLRG auch Frauen am Steuer der Motorboote. In ihrem 100. Jahr steht mit Frauke Jarabeck erstmals eine Frau an der Spitze der Mülheimer DLRG.

Allein zwischen 1948 und dem Jahr 2000 hat die DLRG in Mülheim 184 Menschen vor dem Ertrinken in der Ruhr gerettet und 56.000 Nichtschwimmer zu Schwimmen gemacht. In den Jahren 1997 und 1998 besteht der Bezirk bereits aus 800 Mitgliedern, von denen mehr als 100 aktive Rettungsschwimmer sind. Die Mitglieder bauen Ende der 1990er Jahre ihre Rettungsstation am Mendener Ruhrufer aus und erweitern sie 2023 um eine Bootsgarage. Bereits seit Ende der 1970er Jahr erleichtert ein elektrischer Hebezug das Zuwasserlassen der DLRG-Boote. Seit den 1980er Jahren bildet die DLRG nicht nur Schwimmer und Rettungsschwimmer, sondern auch Schwimmlehrer aus. In den 1960er und 1970er Jahren werden ihre Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten durch die Schwimmbadneubauten in Stadtmitte, Heißen und Dümpten erweitert, allerdings 1998 durch die Schließung des Stadtbades auch wieder eingeschränkt.

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner