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Das Brauwesen in Mülheim an der Ruhr

Ansicht der Berg-Brauerei Mann (um 1910)
Ansicht der Berg-Brauerei Mann, um 1910

von: Bernd Brinkmann

Die Entwicklung des Brauwesens in Deutschland im 19. Jahrhundert ist geprägt durch den Wechsel vom obergärigen zum untergärigen Bier. Obwohl auch das untergärige Brauverfahren seit langem bekannt war, blieb bis dahin das obergärige Bier die vorherrschende Biersorte. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts löste in Deutschland das zunächst verstärkt in Bayern gebraute untergärige Bier das weniger haltbare obergärige Bier ab und eroberte rasch auch das Ruhrgebiet. Heinrich Wenker, der Gründer der Kronenbrauerei in Dortmund, hatte die neue Brautechnik in München studiert; er braute und verzapfte 1843 das neue Bier erstmals in Dortmund.

In Mülheim an der Ruhr empfahl Wilhelm Schroer, der 1856 die Brauerei Güldenberg übernommen hatte, 1860 in einer Adressbuch-Anzeige seine „Bairische Bierbrauerei“ dem Publikum. Später warben auch andere Mülheimer Brauereien mit diesem Etikett. So die „Bayerische- und Braun-Bierbrauerei“ Schönnenbeck, die „Bayerische Bierbrauerei“ Mathias Rating und die „Bayerische Bier-Brauerei“ von Heinrich Mann. Die neue Biersorte entsprach offenbar dem Geschmack der Bevölkerung. Das Bier wurde zum „Standesgetränk“ der Arbeiter und die enorme Bevölkerungszunahme in den Industriezentren eröffnete Erfolg versprechende Perspektiven für Brauereien, die nicht mehr in erster Linie für den eigenen Ausschank, sondern für die Belieferung ihrer Wirte-Kundschaft produzierten.

Welche Entwicklung die Konsumgewohnheiten bis zum Jahre 1887/88 genommen hatten, zeigen die Produktionsmengen der Mülheimer Brauereien: 88.290 Hektolitern untergärigen Bieres standen nur noch 332 Hektoliter obergärigen Bieres gegenüber. Diese extremen Verhältniszahlen trafen für das Deutsche Reich nicht zu, hier lag der Marktanteil des obergärigen Bieres noch bei 30 Prozent. Der Bierkonsum nahm aber in diesen Jahren stetig zu. So stieg die Produktionsmenge der Mülheimer Brauereien im Jahre 1888/89 um 20 Prozent auf 106.049 Hektoliter und der pro Kopf-Verzehr im Deutschen Reich von 82 Litern im Jahre 1886/87 auf etwa 98 Liter im Jahre 1887/88.

Auch das Flaschenbiergeschäft, seit Anfang des 19. Jahrhunderts in geringem Umfang praktiziert, weitete sich nach 1860 außerordentlich aus und führte nochmals zu erheblichen Produktionssteigerungen. Die Flaschenabfüllung wurde anfangs nicht von den Brauereien vorgenommen, sondern war Aufgabe der Bierhändler, die, im Adressbuch von 1880 in Mülheim noch gar nicht aufgeführt, 1894 mit elf Unternehmen bereits zahlreich vertreten waren. Bis 1906 war ihre Zahl auf 17 angewachsen. Nahmen die Flaschenbierhändler ständig zu, so ging die Zahl der Brauereien zurück. 1845 führt eine Statistik zur Gewerbesteuererhebung für Mülheim 34 Brauhäuser an.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts handelte es sich überwiegend um Hausbrauereien, d. h. das Bier wurde vor allem zum Ausschank oder Verkauf in der eigenen Gastwirtschaft gebraut. Der Wirt war zumeist auch Brauer; nur selten wurden zusätzliche Mitarbeiter beschäftigt. Erst allmählich gingen einige Brauer dazu über, auch für andere Wirte zu brauen. Für das Steuerjahr 1873/74 liegt eine Übersicht über die entrichtete Brausteuer vor, in der 31 Mülheimer Brauereien namentlich genannt sind. Die meisten dieser Brauereien überlebten das 19. Jahrhundert nicht. Sie stellten den Braubetrieb ein, weil sie im Zuge der Industrialisierung nicht mehr konkurrenzfähig waren. Sie konnten keine Investitionen in Dampfmaschinen und in die das Gewerbe revolutionierende Kältemaschine (1873 von Carl von Linde erfunden) vornehmen und daher blieb vielen auch der Wechsel zum untergärigen Bier verwehrt.

Vor dem Ersten Weltkrieg existierten in Mülheim noch acht Brauereien:

– Mendener Engelbrauerei GmbH, gegründet vor 1843 von Johann W. Hempelmann,
– Mülheimer Aktien-Brauerei AG, gegründet vor 1870 von Heinrich Hogefeld, 
– Löwenbrauerei Heinrich Dinsing GmbH, gegründet 1845 von Hermann Sellerbeck,
– Brauerei Mathias Rating, gegründet 1869 von Mathias Rating,
– Teutonen-Brauerei Conrad Fuglsang, gegründet vor 1834 von Franz Güldenberg,
– Rheinische Zonenbrauerei GmbH, gegründet 1872 von Philipp Schlösser,
– Brauerei Gebr. Ibing, gegründet 1863 von Friedrich und Richard Ibing,
– Berg-Brauerei H. Mann, gegründet 1855 von Heinrich Quattelbaum,

Einige dieser Brauereien beschäftigten zwischen 60 und 90 Mitarbeiter und galten seinerzeit durchaus als Großbrauereien. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich die Zahl der Mülheimer Brauereien schließlich halbiert. Die Betriebe gingen in Liquidation oder wurden von Dortmunder Brauereien übernommen, die in Mülheim an der Ruhr Niederlassungen errichteten. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nur noch zwei Brauereien in Mülheim, die Berg-Brauerei Heinrich Mann und die Brauerei der Gebrüder Ibing.



Texte von Bernd Brinkmann zur Mülheimer Brauereigeschichte (PDF)


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