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Das Evangelische Krankenhaus wird eröffnet

Evangelisches Krankenhaus, Quelle: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Von: Thomas Emons

Wer das moderne Klinikgebäude des Evangelischen Krankenhauses kennt, das 1500 Menschen beschäftigt und jährlich rund 60.000 Kranke behandelt, staunt über die bescheidenen Anfänge des medizinischen Großbetriebs von heute. 

„Mit Gebet, Gesang und dem Wort Gottes“ wurde das Evangelische Krankenhaus am 19. März 1850 eingeweiht. Die Initiative zur Gründung des ersten Mülheimer Krankenhauses ging von Pfarrer Eduard Wilhelm Schulz und Mitgliedern des Evangelischen Jünglingsvereins aus. Finanziell und ideell unterstützt wurde das Projekt von Kaufleuten und Handwerkern, die zusammen mit Schulz ein Komitee bildeten, das zum ersten Kuratorium des Evangelischen Krankenhauses werden sollte. 

Das erste Krankenhaus stand an der Teinerstraße 62. Die 1200 Taler für den Kauf des Gebäudes stammten aus einer Kollekte der evangelischen Gemeindemitglieder. Die Ausstattung des Krankenhauses war karg. Man begann mit zehn bis 15 Betten und behandelte im ersten Jahr 30 Patienten, von denen fünf starben. Von der ersten Patientin Elisabeth Zollhofer, die am 5. April 1850 aufgenommen wurde, ist nur bekannt, dass sie nach 37 Tagen als geheilt entlassen wurde und die Stadtkasse für ihre Behandlung drei Taler und zwölf Silbergroschen bezahlte. Denn von einer Krankenversicherung sollte erst gut 30 Jahre nach der Eröffnung des Evangelischen Krankenhauses die Rede sein. 

Wer um 1850 behandelt werden wollte, musste entweder selbst zahlen oder die städtische Armenfürsorge in Anspruch nehmen. Nur für Handwerker und ihre Gesellen gab es damals bereits eine Unterstützungskasse, die das finanzielle Risiko eines Krankenhausaufenthaltes gegen die Zahlung eines jährlichen Abonnements abdeckte. 

Eine Aufstellung zeigt, dass Krätze, Schwindsucht, Geschwüre, Fieberzustände und Syphilis in den frühen 1850er Jahren zu den am häufigsten behandelten Erkrankungen zählte. Enge und unhygienische Wohnverhältnisse ohne Abwasserentsorgung setzten den Mülheimer Bürgern damals ebenso zu wie die extrem gesundheitsbelastenden Arbeitsbedingungen in den frühindustriellen Betrieben der Stadt. 

Die medizinische Behandlung im Krankenhaus war nicht mit heutigen Maßstäben zu vergleichen. Als die Klinik eröffnet wurde, bestand ihr hauptamtliches Personal aus der Diakonissin Mathilde Jung, die von einer Magd und einem Hilfswärter unterstützt wurde. Für die medizinische Versorgung der Patienten waren die beiden Ärzte Dr. Hermann Leonhard und Matthias Macken zuständig. Sie waren allerdings nicht beim Krankenhaus angestellt, sondern schauten dort gegen ein geringes Honorar regelmäßig zur Visite vorbei, während sie hauptberuflich als niedergelassene Ärzte praktizierten und darüber hinaus als Amts- oder Werksarzt tätig waren. Den Patienten selbst wurde von der Hausordnung des Krankenhauses unter anderem „willige Folgsamkeit“ und der Verzicht auf „zweideutige Gespräche“ abverlangt. Trunkenheit und „unwilliges Entgegenhalten“ konnten mit Entlassung geahndet werden.

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