Von: H.D. Strunck
Die Gründungszeit
„Aus grauer Städte Mauern“ habe ich die Chronik des TSV Heimaterde betitelt, um die enge Verbundenheit des Vereins mit der Siedlung zu dokumentieren. Noch heute wie damals wohn(t)en viele Mitglieder in oder nahe der Siedlung, deren erste Bauten um 1918 errichtet wurden. Schon 1921 wurde das Schwimm- und anschließend das „Naturstadion“ eingeweiht. Vermutlich war das ein Anstoß, einen eigenen Sportverein für die Siedler zu gründen. Dieses Ziel verfolgte eine Versammlung, die am 1. Mai 1921 im „Krug zur Heimaterde“ unter Leitung des Siedlers Johann Schlenkhoff stattfand. Zur Gründung kam es nicht, weil auch auswärtige Gäste vom „Arbeitersportverein Heißen“ anwesend waren, die – vergeblich – zum Beitritt in ihren Verein warben. Die Versammlung vertagte sich. Weitere Gründungsbemühungen sind jedoch nicht protokolliert. Erst aus einem Schreiben vom 16. März 1926 an die „Siedlungsgenossenschaft“, in dem die Nutzung des „Krug“ als Vereinslokal erbeten wird und um Pachtland für einen in Eigenleistung zu bauenden Sportplatz, erfahren wir, dass der „Sportverein Heimaterde“ im Juli 1925 gegründet wurde. Die Vereinsfarben sind schwarz-weiß.
1930 bis Kriegsende 1945
Ein erster großer Erfolg wurde schon 1931 mit der Meisterschaft in der (damaligen) Bezirksklasse gefeiert. Ironie der Geschichte: 1933 wurde der „Arbeiter-Sportverein Heißen“, der vor Jahren die Gründung des Sportvereins in der Heimaterde verhindert hatte, mit genau diesem zwangsweise zusammengeführt und brachte als „Geschenk“ die Sportarten Handball und Turnen mit in die Ehe. Noch im gleichen Jahr schlossen sich der Sportverein Heimaterde und der Turnerbund Heißen zusammen und der neue Verein hieß nun „Turn- und Sportvereinigung 1892 Heißen“ – kurz TuSpo. Auch wenn Schlenkhoff hier zweiter Vorsitzender wurde, so mancher „Heimaterdler“ wird dem Verein den Rücken gekehrt haben. Denn schon im Mai 1937 waren nur noch zehn Ehemalige aus der Siedlung dort aktiv. Der Zusammenschluss wurde einseitig aufgehoben, der Turnerbund Heißen lebte unter altem Namen weiter – und vom Sportverein Heimaterde ist aus dieser Zeit nichts überliefert.
1945 – Die Wiederbelebung
Der Krieg forderte seine Opfer – auch in der Heimaterde – und viele der ehemaligen Spieler waren fern der Heimat an irgendeiner Front, tot oder in Gefangenschaft. Am 21. August 1945 gab ein handschriftlicher Vermerk des „Kleinwohnungsbau“ (früher: Siedelungsgenossenschaft Heimaterde“) ein erstes Lebenszeichen vom ehemaligen Sportverein Heimaterde.
Sehr geehrter Herr Bertrand,
gestern waren der Sohn der Wwe. Bleesen und noch ein Herr des Vorstandes des früheren Sportvereins Heimaterde bei mir um zu fragen, ob sie am Sonntag schon mal auf dem Platz am Teich mit dem Fußballspielen beginnen könnten, um die Jugend der Heimaterde und die früheren Mitglieder des Sportvereins wieder zu sammeln. Einen Antrag auf Überlassung des Platzes als Vereinsplatz würden sie voraussichtlich in dieser Woche noch stellen. Es ist der Wille zum Leben und Aufbau. Ich bitte Sie, den Platz zum Üben ab Sonntag vorbehaltlich einer späteren, endgültigen Genehmigung zu überlassen und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir gleich Antwort geben, da die Herren heute Abend noch einmal zu mir kommen.
21.8. P. Brach
Und nur wenige Tage später lag auch ein offizieller „Antrag“ auf Nutzung des Platzes vor.
Der Verein lebt!
Der Sportplatz war nach heutigen Begriffen in einem erbärmlichen Zustand. Auf der rechten Seite des Platzes erinnerten zwei kleinere und links oben im Bereich der Eckfahne zwei große Bombenkrater an den Krieg. Gespielt wurde trotzdem. Für den Fall, dass ein Ball in einen der großen Krater fiel, stand eine Leiter bereit: Ball hochgeholt und weitergespielt. Vom 30. September 1945 an beteiligte sich der TuSpo Heimaterde – so nannte ihn die Presse bis in die 1960-er Jahre – an einer Runde zur Mülheimer Stadtmeisterschaft unter dem Titel „Rund um den Schiefen Turm“. So fing alles wieder an.
Die Vereinsführung
Nach dem Kriege hatten Krupp und der Heimaterder Sportverein große Pläne für Um- und Neubauten, die aber die Währungsreform zunichte machte. Wer waren die Männer, die den Verein geleitet haben? Nun, an der Spitze standen immer Männer – 16 Namen weist die Liste aus – in der Hubert Goller mit insgesamt 13 Jahren an der Vereinsspitze die längste Zeit Vorsitzender war, eng gefolgt von Burkhard Cremer, der nach 11 Jahren Vorsitz 2024 die Vereinsführung niederlegte.
Mehrspartensportverein
Auch wenn sich der TSV Heimaterde in erster Linie als Fußballverein versteht, bot er auch anderen Sportarten Unterstützung und Heimat. 1967 wurde die Turnabteilung wieder belebt und hatte mit Kirsten Lange-Böhmer zur Wende 1980/90 regionale Erfolge. Die Handballabteilung löste sich 1968 auf, nachdem Leistungsträger wie Heinz Gocke den Verein verlassen hatten. 1977 scharte Manfred Schmidt Gleichgesinnte um sich und gründete die Tischtennisabteilung und 1978 wurde beim TSV sogar Tennis am Naturstadion gespielt. Seit 1991 spielen viele Kinder und Erwachsene Badminton im TSV-Trikot und erzielten insbesondere im Kinder- und Jugendbereich Erfolge über den regionalen Rahmen hinaus. Zwei Jahre später emanzipierten sich die Frauen mit einer eigenen Fußballmannschaft, die sich immer mal wieder auflöste und doch auch wieder aufstand. Nicht zuletzt waren von 1999 bis 2014 Volleyballer beim TSV aktiv. Man sieht eine große Sportpalette. Und dennoch blieb der Club in der sportlich interessierten Öffentlichkeit und vermutlich in seinem Selbstverständnis ein Fußballverein, der 2007 mit dem Aufstieg in die Landesliga seinen Höhepunkt hatte. Hoffen wir also auf weitere gute und schöne Zeiten.
Fazit
Dieser Verein hat in seinen über 100 Jahren seit seiner Gründung viele Höhen und Tiefen durchschritten, vom kleinen Fußballklub zu einem der mitgliederstärksten Vereine der Stadt. Immer haben Frauen und Männer viel Energie aufgewandt, um Krisen zu meistern und neue Ziele zu erreichen. Dies auch in einer Zeit, in der das Ehrenamt nicht mehr den Rang hat(te), der ihm gebührt.
