Von: Thomas Emons
Die Mülheimer Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 28. Juli 1914 vom größten Automobilcorso, den die Stadt je gesehen habe, und zählt insgesamt 52 Wagen. Fast eine ganze Spalte widmet sie der Auflistung der prominenten Gäste aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Unter den Genannten ist auch der Industrielle August Thyssen, der es an jenem denkwürdigen 27. Juli 1914 vorzieht, im eleganten Zweispänner auf dem Kahlenberg vorzufahren.
Dort wird an diesem Tag das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung eröffnet. Es ist das erste Forschungsinstitut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, das außerhalb Berlins errichtet worden ist. Zur Feier des Tages spielt die Musikkapelle des in Mülheim stationierten Infanterieregiments Nr. 159. Für die Soldaten wird es einer ihrer letzten zivilen Einsätze, bevor sie in den Ersten Weltkrieg ziehen. „In die friedlichen Klänge unserer heutigen Feier“, sagt Regierungspräsident Kruse in seinem Grußwort an die Gäste, „dröhnen von Ferne Kriegstrompeten.“ Doch Kruse, der an diesem Tag in seiner Funktion als Kuratoriumsvorsitzender des neuen Instituts spricht, beantwortet die selbst gestellte Frage, ob man sich in seiner Freude dadurch stören lassen sollte, ganz im Zeitgeist des Wilhelminischen Hurra-Patriotismus, wenn er feststellt: „Ich denke nicht. Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt.“
Auch Oberbürgermeister Paul Lembke, der die Ansiedlung des Instituts, das heute den Namen des deutschen Physik-Nobelpreisträgers Max Planck trägt, maßgeblich betrieben und den Bau mit Geldern der Leonhard-Stinnes-Stiftung erst möglich gemacht hat, möchte sich die Freude über den prestigeträchtigen Erfolg nicht nehmen lassen. In der Festrede erinnert er an die lange Tradition, die Förderung, Transport und Handel von Kohle in Mülheim haben. „Möge es dem Institut gelingen“, wünscht sich Lembke, „helles Licht zu bringen in die unerforschten Möglichkeiten, zum Ruhme der Wissenschaft und zum Segen der Menschheit.“ Natürlich bringt der Oberbürgermeister auch seine Hoffnung zum Ausdruck, „dass nunmehr durch dieses Institut unsere Stadt auch dem besonderen Interesse der allerhöchsten Stelle nähergerückt werden möge.“
Dazu passt, dass die Festgesellschaft, die nach einer Führung durch das neue Kaiser-Wilhelm-Institut im Kurhaussaal des Solbad Raffelberg speist, ein Telegramm an den Kaiser sendet, in dem dieser darum gebeten wird, dem (bis 1943) von Franz Fischer geführten Institut seine dauerhafte Huld zu bewahren.