Ein fast vergessener Künstler: Willi Deus

Willi Deus, Quelle: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Von: H.D. Strunck

Als ich vor einigen Jahren in der Heimaterde fragte, wer diesen Jungen auf dem Schwan wohl „gemacht“ hat, sagte man mir, „Das war ein Deutz oder Deus, aber über den weiß man nicht viel.“  Das machte mich neugierig und ich fand bei meiner Recherche so manchen Bericht und entdeckte nach und nach viele Beispiele Deus’scher Kunst in Mülheim. 

Wer war dieser Künstler Willi Deus?

Oskar Wilhelm Deus kam am 29.12.1889 in Solingen zur Welt als Sohn des Brennmeisters Oskar Bruno Deus und seiner Ehefrau Anna, geb. Putsch.  „Willi“, wie wohl sein Rufname war, entstammte als drittes von zehn Kindern einer Familie mit vielseitigen künstlerischen Begabungen. Die einzige Tochter wurde Kunstgewerblerin, Architekten, Bildhauer, Maler, Graphiker und Musiker wurden die Jungen.

1897 siedelte die Familie nach Mülheim über und  wohnte im Hause Graf-Wirich-Straße/Am Bahnhof Broich. Welche Schule der damals 8-jährige Junge besuchte, konnte ich noch nicht ermitteln. Aus Zeitungsartikeln ist überliefert, dass er bei einem  Styrumer Holzbildhauer in die Lehre ging und die Kunstgewerbeschule in Düsseldorf besuchte. Seine Fertigkeiten erweiterte er auf der Folkwang Schule in Essen und absolvierte hier die Meisterklasse. Zu seinen Lehrern gehörte der bekannte Prof. Enselin. 

Schon 1912, gerade 23 Jahre alt, machte er sich selbständig. In einem Garten an der Broicher Wilhelminenstraße (direkt an der Bahnstrecke Styrum – Mintard) richtete er sich seine erste Werkstatt ein. Ein Stipendium ermöglichte ihm 1913 gemeinsam mit seinem Bruder Adolf eine Reise nach Italien mit einem Aufenthalt auch in Rom. Besuche in verschiedenen Galerien und Werkstätten erweiterten seine künstlerischen Fähigkeiten. Nach der Rückkehr veranstalteten die Brüder mit Skizzen, Zeichnungen und Gemälden im Mülheimer Museum eine vielbeachtete Ausstellung. 

Am 1.8.1918 heiratete er Antonia Laura Else Venzlaff, die er im Kirchenchor der Petrikirche kennengelernt hatte. Dieser Ehe entstammen die Kinder Helmuth Wilhelm Kuno und Otto Paul. 1919 ist er unter der Adresse Lederstraße 14 in MH-Broich gemeldet und 1928 wohnte er in der Prinzess-Luise-Straße 87. Ob er seine Werkstatt/Atelier in der Wilhelminenstraße weiter unterhielt, ist wahrscheinlich. Denn 1932 schuf er sich in der Kurfürstenstraße 45 seinen neuen Arbeitsplatz, der allerdings im November 1944 durch eine Luftmine zerstört wurde. Viele Entwürfe und fertige Arbeiten gingen dabei verloren.

Im Juli 1946 verzog Willy Deus in den Landkreis Aschendorf im Emsland. Erst im November 1950 meldete er sich wieder unter der Adresse Kurfürstenstraße 9 in Mülheim an. Hier entstand auch sein drittes und letztes Atelier. Nur vier Jahre später, am 16. März 1954, verstarb er in Mülheim nach einer Operation. Sein Atelier wurde aufgelöst und das gesamte Werkzeug verkauft. Seinem Sarg folgten Verwandte und Freunde.

Soweit die Lebensdaten des Künstlers Willy Deus. Was aber machte ihn seinerzeit bekannt und im lokalen Rahmen auch berühmt?

Stadtbekannt war ein frühes Werk des Künstlers, das weniger der Kunst als der Vaterlandsliebe gewidmet war. Am 7. November 1915 wurde in einem vom Architekten Theodor Suhnel entworfenen Pavillon vor der Notwegschule (in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße) der aus Holz geschnitzte zweieinhalb Meter hohe „Eiserne Siegfried“ aufgestellt. Ein gelockter germanischer Recke, der Schild und Schwert umklammerte. Die Mülheimer strömten in vaterländischer Gesinnung herbei und so mancher schlug gegen ein Entgelt mit dem Hammer einen Nagel in den Mann. Der mit Nägeln übersäte „Mann“ stand noch bis in die 1940-er Jahre auf einem der oberen Rathausflure. Nach dem Kriege fand ihn ein Holthausener Bauer auf einer Müllhalde, nahm ihn mit ins Rumbachtal und stellte fest, dass der Zahn der Zeit nur eine Entsorgung zuließ.

In den 1920-er Jahren gestaltete Willi Deus einen Teil der Außenfassade der Stadthalle. Da ein genaues Werkverzeichnis fehlt, kann  man die Zeit der Entstehung nur schätzen. Erhalten sind uns aber aus den 1920-er Jahren die Arbeiten am Eingangsportal des Innungshauses in der Zunftmeisterstraße (Fertigstellung 1925). Über dem Eingang stehen zwei Freiskulpturen mit skulpturalen Darstellungen von Hans Sachs und Albrecht Dürer.  Neben dem Eingang sind in Form von Wandreliefs Löwenköpfe dargestellt. Im Eingang in der Türlaibung sind Objekte und Werkzeuge dargestellt, die verschiedene Handwerksberufe symbolisieren. Weitere Arbeiten sind die Figurengruppe am Hause Schloßstraße/Ecke Kohlenkamp (Arbeiter-Bäuerin-Schiffer, je 1,80 m hoch)) und die Gänsegruppe am Haus Schloßstraße 31.

Der Trausaal im Mülheimer Rathaus wurde von Deus künstlerisch ausgestaltet. In dieser Zeit entstanden auch Portraits verschiedener Persönlichkeiten, u.a. vom Mülheimer Oberbürgermeister Dr. Lemke. 1932 verlegte er sein Atelier zur Kurfüstenstraße 45.

Am Sonntag, dem 19. März 1933, veröffentlichte eine Mülheimer Zeitung einen Artikel unter dem Titel „Kennen Sie das lebendige Mülheim“, in dem sein bisheriges Schaffen gewürdigt wird:

Die wenigsten Mülheimer wissen, wie viel bildhauerischer Schmuck aus seiner Hand in unserer Stadt zu sehen ist. Der ganze Außenschmuck des Innungshauses, ein Drittel der Bildhauerarbeiten an der Stadthalle, sämtliche Schnitzereien im Rathaus, abgesehen vom Sitzungssaal, sind unter seinem Meißel entstanden. Auch das Rhein.-Westf. Wasserwerk verdankt ihm seine bildhauerische Fassade. Zwei Werke haben den strebsamen und in seiner Entwicklung konsequenten Künstler in der breitesten Öffentlichkeit bekannt gemacht:

„Die Liegende“ in der Gruga, über deren Schicksal wohl sämtliche Zeitungen Deutschlands berichtet haben und die „Pionierfigur“ aus dem Wettbewerb für das Mülheimer Pionierdenkmal. In beiden Fällen hat der Künstler leider nur den – allerdings nicht zu unterschätzenden – Erfolg der großen Reklame gehabt. Die Gruga schickte „die Liegende“ zurück (und löste ein großes Presseecho aus) und der Ausschuss der ehemaligen Pioniere entschied sich, entgegen dem Spruch des Preisrichterkollegiums für einen anderen Entwurf.

Von beiden Werken ist wohl nichts geblieben.

Auch die Figuren im Styrumer Schlosspark stammen aus seiner Werkstatt.

Um 1936 schuf Deus eine Brunnenfigur, die ohne Sockel 35 Zentner wiegt und zum Symbol einer ganzen Siedlung wurde. Damals hieß sie noch „Putte mit Gans“ und ist heute in der Siedlung Heimaterde als „Gänsereiterbrunnen“ nicht mehr wegzudenken. In der Siedlung sollen noch weitere – nicht benannte – Werke von Deus zu finden sein. Ein Deus-Werk ganz anderer Art befindet sich – von den meisten Menschen sicher unentdeckt – an der Fassade der ehem. Friedrich-Wilhelms-Hütte an der Friedrichstraße.

1944 wurde das Atelier an der Kurfürstenstraße durch eine Luftmine zerstört und viele Modelle, Skizzen und Werkzeug waren verloren. Willi Deus zog nach Werlte Krs Aschendorf, beschaffte sich wieder eine neue Werkstatt und schuf in dieser Zeit viele Plastiken mit religiösen Motiven, die er u.a. an die Bauern im „Hümmling“ verkaufte und die vielleicht noch heute so manchen Hausaltar dort schmücken. Aus den Eichenbalken des zerstörten Werlter Kirchturms schnitzte Deus einen lebensgroßen Christus am Kreuz, das von der Kirche in Voerde am Niederrhein erworben wurde.

1949 kehrte Willi Deus nach Mülheim zurück. Aus Anlass seines 60. Geburtstages waren Anfang 1949 im Mülheimer Kunstkabinett Holz- und Bronzearbeiten zu sehen und der damalige Museumsdirektor Dr. Kruse äußerte in seiner Laudatio den Wunsch: „Möge nun dem rastlos Tätigen in seiner Heimat neues Werk in alter Tüchtigkeit gedeihen“. Für ein Ehrenmal der in den Kriegen gefallenen ehem. Mitarbeiter der Drahtseilerei Kocks schuf er die „Trauernde Frau“. Leider ist auch diese Figur verschwunden.

Leider endete die Schaffenskraft von Willi Deus schon früh. Nach kurzer schwerer Krankheit verstarb er am 16. März 1954. Mit seinem letzten Werk, ein „Mülheimer Schiffer“, das bereits in Gips gegossen war, zeigt er vielleicht seine Verbundenheit mit unserer Stadt.

Natürlich konnten wir nicht alle Werke dieses Künstlers benennen und aufzeigen, so vielfältig war sein Schaffen. Aber beim Durchblättern alter Zeitungen im Stadtarchiv fand ich in einer NRZ vom Januar 1974 einen kleinen Beitrag zu einer Holztüre, die Deus geschaffen hat. Durch diese Türe sind viele Menschen gegangen, sicher mal fröhlich oder auch mit Sorgen. 1917 ließ der damalige Arzt am Marienhospital,  Dr. Hans Grewe, durch den Architekten Theodor Suhnel einen Neubau an der Friedrichstraße 24 bauen, in dem er eine Privatklinik für Chirurgie und Frauenkrankheiten errichtete, die 1918 eröffnet wurde. Die Eingangstüre ließ Suhnel durch Willi Deus arbeiten. Ab 1933 ging die Kreisleitung der NSDAP durch diese Türe und nach 1945 waren es die Funktionäre des DGB.  Als das Haus in den 1970-er Jahren einem Neubau weichen musste, sicherte sich ein Mülheimer Bürger das durch mehrere Farbschichten verunstaltete Meisterwerk. Nach umfangreicher Restaurierung ziert es noch heute den Eingang eines Hauses in unserer Stadt.

Quellen: Stadtarchiv, Helga Plener, G.K. Ommer

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