von: Jens Roepstorff
Geboren am 8. April 1847 in Mettmann, war Kirdorf zu seinen Lebzeiten (1847-1938) einer der prominentesten Vertreter der deutschen Wirtschaft, die ihren Wohnsitz in Mülheim an der Ruhr hatten.
Aufgewachsen in einer Weberfamilie in Mettmann, erlernte Kirdorf nach dem Abschluss der Realschule in Düsseldorf zusammen mit seinem Bruder Adolf das elterliche Handwerk an der Webereischule in Mülheim am Rhein. Anschließend arbeitete er im elterlichen Betrieb, der jedoch durch das Aufkommen der mechanischen Webstühle in finanzielle Nöte geriet und Anfang der 1870er Jahre schließen musste. Kirdorfs älterer Bruder Adolf, zu diesem Zeitpunkt technischer Direktor einer Weberei in Leichlingen, vermittelte ihm daraufhin die Stelle eines kaufmännischen Leiters der Bergbau AG „Holland“ in Wattenscheid. Der Großindustrielle Friedrich Grillo wurde dort auf ihn aufmerksam und empfahl ihn als kaufmännischen Direktor der 1873 gegründeten „Gelsenkirchener Bergwerks AG“ (GBAG). Zusammen mit seinem Mentor Grillo betrieb er durch die Übernahme von namhaften deutschen Hüttenwerken die Expansion des Unternehmens, so dass die GBAG bald zum größten deutschen Montankonzern aufstieg. Emil Kirdorf erhielt den Vorsitz im Vorstand.
Die Gründung des „Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats“ im Jahre 1893 ging auf seine Initiative zurück; es wurde dann über drei Jahrzehnte lang von ihm geleitet. Diese Interessenvereinigung der Bergwerksgesellschaften an Rhein und Ruhr legte Absatz und Preis der Kohle in der Region fest und bildete somit ein mächtiges Kartell innerhalb der deutschen Montanindustrie. Im April 1925 gab Kirdorf sein Amt im Kohlensyndikat auf. Als dessen Ehrenvorsitzender verfügte er jedoch nach wie vor über großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Auf seinen Rat und sein Wort hörte man.
Seinen privaten Wohnsitz hatte Kirdorf 1905 nach Mülheim an der Ruhr auf eine im Uhlenhorst gelegene Villa namens „Streithof“ verlegt. Nach Gelsenkirchen (1917) verlieh ihm auch die Stadt Mülheim (1935) die Ehrenbürgerschaft (Aberkennung 1995).
Vorübergehend trugen die städtische Oberrealschule, Vorläufer des heutigen Karl-Ziegler-Gymnasiums, sowie ein Teil der Großenbaumer Straße seinen Namen (bis 1945).
Kirdorfs politische Ansichten waren erzkonservativ. Die Politik Bismarcks unterstützte er, Wilhelm II. dagegen lehnte er ebenso ab wie die Politiker der Weimarer Republik. 1927 kam er bei einer Parteiveranstaltung in Essen in Berührung mit dem Nationalsozialismus und dessen Galionsfigur Adolf Hitler. Er verwendete sich für ihn gegenüber der deutschen Unternehmerschaft, ließ seine guten Beziehungen spielen und setzte sich beim Reichspräsidenten Paul von Hindenburg für die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler ein. Im Januar 1933 ermöglichte er Adolf Hitler eine Rede vor dem Düsseldorfer Industrieklub, was dessen „Salonfähigkeit“ in den deutschen Wirtschaftskreisen förderte. Zu Geburtstagen von Kirdorf kam Hitler mehrfach nach Mülheim, um seine Glückwünsche persönlich zu überbringen.
Die katastrophalen Folgen des nationalsozialistischen Regimes erlebte Emil Kirdorf nicht mehr. Am 13. Juli 1938 verstarb er im Alter von 91 Jahren auf dem „Streithof“ in Mülheim. Seine Asche wurde in der Familiengruft auf einem Friedhof in Düsseldorf beigesetzt.
(aus: Mülheimer Zeitzeichen, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Mülheim an der Ruhr, Band 1)