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Eröffnung der Rennbahn am Raffelberg

Postkartenansicht der Rennbahn am Raffelberg
Postkartenansicht der Rennbahn am Raffelberg

von: Johannes Fricke

Die ersten Pferderennen in Mülheim an der Ruhr waren interne Wettbewerbe eines 1863 gegründeten landwirtschaftlichen Vereins auf abgeernteten Äckern. 1885 entstand ein Reiterverein, aus dem sich der heutige Mülheimer Rennverein Raffelberg entwickelte. Das erste Rennen fand im Haagerfeld in Broich statt. Dabei soll es Proteste gegen die Teilnahme eines „fremden Pferdes“ gegeben haben. Böse Zungen sollen sogar behauptet haben, es sei ein Esel gewesen.

Der Verein wuchs von Jahr zu Jahr. 1888 fand der erste „richtige“ im Jahres-Renn-Kalender aufgeführte Renntag auf den Schönnenbeckschen Wiesen an der unteren Aktienstraße statt. Ab 1893 waren dann die Kleinkemmschen Wiesen in Saarn auf dem linken Ruhrufer gegenüber vom Kahlenberg Austragungsort der Pferderennen. Das Interesse an den Mülheimer Galopprennen nahm nun immer weiter zu. Sie wurden zu beliebten Treffpunkten von Offizieren und „Herrenreitern“. Dem Verein schlossen sich in dieser Zeit Mülheimer Honoratioren wie August Thyssen und Hugo Stinnes an; Vorsitzender war Oberbürgermeister von Bock und Polach. An den Renntagen erschienen große Mengen von Zuschauern, die zum Teil mit der Straßenbahn und mit Dampfern anreisten.

Auf Dauer ließ der Rennplatz in Saarn aber keine Weiterentwicklung zu. Da es sich um Weideland im Hochwassergebiet handelte, war die Rennbahn oft nicht in gutem Zustand und der Bau fester Anlagen nicht möglich. Daher schloss sich der Mülheimer Reiterverein 1909 mit dem Duisburger Verein zusammen, um seine Rennbahn von Saarn nach Speldorf zu verlegen. Im Jahr 1910 entstand am Raffelberg eine Rennbahn, die allen Anforderungen entsprach. Es gab Flach- und Hindernisbahnen, Tribünen, ein technisches Betriebsgebäude, ein Totalisatorgebäude für die Pferdewetten, Pferdeunterstände, einen Biertempel und einen Musiktempel. 

Beim ersten Rennen, mit dem die neue Rennbahn Raffelberg am 29. September 1910 eröffnet wurde, herrschte starker Besucherandrang. Bei schönem Herbstwetter fuhren zahlreiche Straßenbahnwagen, Kutschen und Automobile zum Raffelberg, viele Besucher kamen auch zu Fuß. Die Tribünen waren dicht besetzt; die besten Plätze waren schon seit langem ausverkauft. Die guten Sichtverhältnisse, die Anlage der Rennbahn und die Gebäude wurden allgemein gelobt; sie fanden auch in der Fachpresse viel Zustimmung. Beim Rennen saß Oberbürgermeister Lembke als Vorsitzender des Rennvereins dem Schiedsgericht vor, Zielrichter war ein Oberstleutnant. Überhaupt waren Offiziere stark vertreten, sowohl im Publikum als auch im Vorstand des Vereins, wo sie neben Fabrikbesitzern und Kaufleuten saßen. Im Musikpavillon spielte die Kapelle des in Mülheim stationierten 159. Infanterie-Regiments. Die Damen aus den „besseren Kreisen“ fielen durch elegante Roben und ausgefallene Hüte mit vielen Vogelfedern auf.

Als das Rennen beendet war und sich die Menschenmassen wieder zurück zu den Städten bewegten, trafen sich im Kurhaus Raffelberg, wie die Presse berichtete, einige der bemerkenswertesten Rennplatzbesucher aus behördlichen, industriellen und militärischen Kreisen. Der Oberbürgermeister war da und auch Geheimrat Emil Kirdorf.

Drei Tage später, an einem Sonntag, war der Andrang beim zweiten Renntag noch größer. An der Unterführung in Speldorf stauten sich die Wagen, so dass die Straßenbahnen von Broich bis zum Raffelberg eine Stunde brauchten. Die folgenden Jahre waren eine Zeit wachsenden Erfolgs der Rennbahn. Diese große Epoche des Pferdesports in Mülheim endete plötzlich mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges. Die folgenden Jahrzehnte brachten Kriegs- und Notzeiten, Tribünenbrände und Zerstörungen, aber auch Wiederaufbau und neue Erfolge.

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