von: Jens Roepstorff
Mehr als 200 Jahre ist es her, dass im Wald zu Speldorf zwischen Mülheim und Duisburg die letzten Wildpferde eingefangen wurden. Bei diesen Wildpferden handelte es sich genaugenommen um Zuchtpferde, die das ganze Jahr über ohne Gatter oder Zäune in der freien Wildbahn belassen wurden, dort ihre Fohlen zu Welt brachten und aus deren Beständen in regelmäßigen Abständen Jungpferde gefangen und in den Verkauf gebracht wurden.
Die Verwaltung des Speldorfer Walds und damit auch des Wildpferdegestüts oblag seit 1654 den in Angermund residierenden Grafen von Spee. Da er auf Geheiß der neuen preußischen Regierung die Freilandhaltung der Pferde aufgeben musste, ordnete der Graf eine letzte große Treibjagd an, bei der die Bürger Mülheims ingesamt 1200 Treiber, die Duisburger 700 Treiber stellen mussten. Der Unmut über diese Zwangsverpflichtung wich bald der Erkenntnis, dass nach dieser letzten Jagd kein Bauer oder Kötter mehr Schäden auf seinem Land durch die freilaufenden Tiere befürchten musste.
So erschienen am Freitag, den 9. Dezember 1814 alle verpflichteten Männer auf den vorgebenen Sammelplätzen. Die Treiber aus Mülheim wurden in drei Gruppen zu je 400 Mann eingeteilt, die vom Bürgermeister Michels, dem Fabrikanten von Eicken sowie dem Mülheimer Polizeivogt angeführt wurden. Der Polizeivogt der Gemeinde Angermund war vom Grafen von Spee mit der Aufgabe betraut worden, bei der Treibjagd für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dies bedeutete vor allem, den während der Jagd streng verbotenen Ausschank von Schnaps zu kontrollieren. „Weil bei der letzten Pferdejagd festgestellt wurde, dass während des Treibens viele Wirte und auch andere Leute an den Reihen der Treiber vorbeifuhren, um ihnen Schnaps zu verzapfen, soll das Ausschenken während des Treibens verboten sein. Das ist deshalb notwendig, weil sich die Untertanen derart berauschten, dass sie oft niederlagen und zum Jagen der Pferde nicht fähig waren“, so die Begründung des gräflichen Verbots. Mit Trommeln, Hörnern und Rasseln sorgten die Treiber für einen gewaltigen Lärm und trieben die Pferde zwischen ihren „Lappen“ –Bettlaken und andere große Stoffbahnen zur Lenkung der flüchtenden Tiere– in einen zuvor im Wald errichteten Verhau.
Am Ende der Jagd wurden insgesamt 256 eingefangene Wildpferde gezählt. Offenbar gingen jedoch bei dieser letzten Jagd den Treibern einige Tiere „durch die Lappen“. Dies belegt eine Urkunde, die 1966 bei Restaurierungsarbeiten im Sockel des Pferdedenkmals am Stallmannshof gefunden wurde. Dieses Denkmal, 40 Jahre zuvor auf Betreiben des Mülheimer Geschichtsvereins errichtet, sollte an die Wildpferde erinnern, die laut Augenzeugen im Jahr 1830 (!) im Speldorfer Wald noch frei herumliefen. Zu diesem Zeitpunkt war das Gestüt aber längst aufgelöst.
(aus: Mülheimer Zeitzeichen, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Mülheim an der Ruhr, Band 1)