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Ein Aquarium für Mülheim

Der Palmengarten des Mülheimer Aquariums (1932)
Der Palmengarten des Mülheimer Aquariums (1932)

von: Kai Rawe

Mit der Überschrift „Uralte und neue Heimat – auf dem Wege zu einem heimatstädtischen Zoo!“ kündigte die Nationalzeitung am 27. September 1932 die für den darauf folgenden Sonntag geplante Eröffnung des Mülheimer Aquariums an. Die „Gesellschaft für Aquarien- und Terrarienkunde“ konnte der Öffentlichkeit tatsächlich am 2. Oktober 1932 in der Delle eine naturhistorische Schausammlung präsentieren. Möglich geworden war das Unterfangen durch die großzügige Bereitschaft der Familie Stinnes, ihr Stammhaus in der Delle 38, das so genannte „Löwenhüsken“ den Aquarianern kostenlos zur Verfügung zu stellen. Das Haus verfügte nicht nur über einen rückwärtigen Garten, der bereits zu Beginn der Planungen für zukünftige Erweiterungen des Aquariums ins Auge gefasst worden war. Es besaß außerdem einen großen Wintergarten, der fast die Dachhöhe des alten Wohnhauses erreichte, so dass in ihm sogar exotische Palmen wachsen konnten.

Dieses Ambiente war natürlich wie geschaffen zur Präsentation exotischer Tiere. In mühevoller Eigenarbeit hatten die Vereinsmitglieder die Räumlichkeiten für die Präsentation vorbereitet. Unterstützung fanden sie dabei nicht nur durch die Friedrich-Wilhelms-Hütte und die Firma Thyssen, die Material und Arbeitskräfte zur Verfügung stellten, sondern auch durch verschiedene Zoohändler und Fachgeschäfte für Aquaristik, die dem Verein Aquarien und Terrarien aber auch Tiere schenkten. Neben einigen erdgeschichtlichen Schaukästen bildete das „Palmenhaus“ mit der zoologischen Abteilung das eigentliche Zentrum des „Aquariums“. Fische und Eidechsen aus Amerika und Australien, tropische Vögel und sogar Affen wurden hier dem Mülheimer Publikum präsentiert. Einen besonderen Schauer dürften die Besucher allerdings beim Anblick der Alligatoren – die größten Exemplare waren immerhin mehr als zwei Meter lang – sowie der Gift- und Würgeschlangen verspürt haben. Wie die Nationalzeitung mit wohligem Entsetzen berichtet, zeige das „Aquarium“ unter anderem eine 4,5 m lange Anakonda, die als das zweitgrößte Exemplar in Europa gelte, sowie eine 5,5 m lange Python, die mit Kaninchen und jungen Ferkeln gefüttert werde.

Bei so viel Exotik ist es nicht verwunderlich, dass sich die Eröffnung des „Aquariums“ als voller Erfolg erwies. Die ursprünglich nur als befristete Ausstellung konzipierte Präsentation wurde dauerhaft etabliert und im Laufe der Jahre zu einer beliebten Sehenswürdigkeit in der Stadt. Noch Ende der 1930er Jahre wurde das „Aquarium“ durch den Einbau von Laboratorien und einem eigenen Hörsaal sowie durch die Neugestaltung der Fassade des Palmenhauses aufgewertet. Außerdem erlebte es unter dem damaligen Vereinsvorstand Dr. Kramer eine stetige Weiterentwicklung zu einer anerkannten Forschungsstätte der Zoologie, die immer wieder auch Fachleute wie den bekannten schwedischen Forscher Sven Hedin nach Mülheim führten. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, wurde das „Aquarium“ in der Delle nicht wieder aufgebaut. Bis zur Auflösung des Vereins im Jahr 2019 präsentierten die „Aquarienfreunde“ ihr Hobby im Schloss Styrum.

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