Von: Thomas Emons
Am 5. Juli 1745 herrscht im Hause Kortum an der Kettwiger Straße schon früh Betriebsamkeit. Um sechs Uhr morgens werden der Apotheker Christian Friedrich Kortum und seine Frau Helena Maria Severin Eltern eines Jungen, der noch am selben Tag auf den Namen Carl Arnold getauft wird. Der stolze Vater notiert in sein Tagebuch: „Der liebe Gott gebe, dass er fromm und gottselig, zu Gottes Lob, Ehr und Preis, zu unserer Freude und Vergnügen und zu selbst eigenen und ewigen Wohlfahrt aufwachsen möge.“
Heute wissen wir: Der Wunsch des Vaters sollte in Erfüllung gehen. Aus dem Jungen wurde etwas, nämlich ein Arzt und Dichter. 1766 eröffnet Carl Arnold im Elternhaus seine erste Praxis. Doch Christian Friedrich Kortum sollte den erfolgreichen Werdegang seines Sohnes nicht mehr erleben. Er stirbt 1748. Die Mutter sorgt dafür, dass der Junge etwas lernt. Das Lesen und Schreiben wird ihm früh mit Hilfe von Brezelbuchstaben beigebracht.
1784, da lebt er schon nicht mehr in Mülheim, sondern in Bochum, veröffentlicht Carl Arnold Kortum seine Jobsiade, die zum Bestseller wird. Bis heute lassen seine Knittelverse über „Leben, Meinungen und Taten von Hieronimus Jobs dem Kandidaten und wie er weiland viel Ruhm erwarb und endlich als Nachtwächter in Sulzburg starb“ schmunzeln und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden, in England, USA, Polen und Tschechien. „Die Jobsiade macht beim Lesen Spaß, weil sich die Menschen nicht geändert haben“, meint Kortum-Kenner Heinz Hohensee und sieht die Jobsiade im Bereich der humoristischen Literatur „ganz vorne“. Er schätzt, dass sie inzwischen 60 oder 70 Auflagen erlebt und zu etwa 20 verschiedenen Illustrationen inspiriert hat. Auch Max-und-Moritz-Schöpfer Wilhelm Busch hat Kortums Stoff 1872 aufgegriffen, was Hohensee aus Sicht der Ursprungsgeschichte aber eher als „Unglücksfall“ ansieht.
Obwohl Kortum bereits 1770 der Liebe wegen Mülheim verließ und mit seiner Frau nach Bochum zog, sind er und sein literarischer Antiheld im kollektiven Bewusstsein der Mülheimer fest verankert. Selbst, wer die Jobsiade nie gelesen hat, kennt ihre Verse: „Ob dieser Antwort des Kandidaten Jobses geschah ein allgemeines Schütteln des Kopfes.“ Oder: „Die erste Pflicht der Musensöhne ist, dass man sich ans Bier gewöhne.“
1939 setzten die Mülheimer Kortum und seinem Jobs mit einem Brunnen vor der Petrikirche ein Denkmal. In der Bomben-Nacht vom 22./23. Juni 1943 wurde der Brunnen zerstört und 63 Jahre später dank spendabler Bürger, öffentlicher Fördermittel und des Vereins zur Förderung der Mülheimer Altstadt wiedererrichtet. So fand die Jobsstatue des Bildhauers Karl Ehlers nach Irrwegen über Hamburg und einem langen Exil an der Friedrichstraße 2006 den Weg zurück auf den Kirchenhügel.