Von: Günter Fraßunke
Dä Mölmsche Wim“ nannten die Leute von der „Velau“ in Heißen/Fulerum ihren Nachbarn Wilhelm Schauenburg (1905-2002). Als Junge besuchte ich gern Onkel, Tante und die Cousins in ihrem Fachwerkkotten mit dem großen Nutzgarten und der „Bergmannskuh“ neben den Kohlen- und Kartoffelvorräten. Bis zur Einschulung zu Kaisers Zeiten, damals auf dem Steinknappen, sprach Wim wie seine Mitschüler nur Mölmsch Platt. Das wurde ihm mit der „Rohrstock-Pädagogik“ ausgetrieben, wie er immer wieder berichtete.
Als mir Anfang der 70er Jahre auf dem Weg von Dümpten in die Innenstadt eine Kriegsruine an der Zinkhüttenstraße auffiel, wusste Onkel Wim Rat: „Da stand mal die Zonen-Brauerei“, erfuhr ich von ihm. „Aber in Sichtweite an der Boverstraße/Mühlenstraße steht doch die Bergbrauerei von Heinrich Mann, die von1962 bis1991 das ‚Echt Mölmsch‘ braute“, zweifelte ich. Und dann fing Onkel Wim an, die Mülheimer Brauereien aufzuzählen, die es zu seiner Jugend in Mülheim gegeben hatte. Bernd Brinkmann vom Mülheimer Geschichtsverein kennt sie alle und hat darüber geforscht [Bernd Brinkmann, Geschichtsverein Mülheim a. d. Ruhr e.V. (Hrsg.): Mülheimer Brauereien. Zeitschrift des Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr Heft 81/2008, Mülheim an der Ruhr 2008, ISSN 0343-9453. (PDF) Mülheimer Brauereien, Geschichte des Brauwesens in Mülheim an der Ruhr, in: Zeitschrift des Geschichtsvereins Mülheim a. d. Ruhr, Heft 81/2008, Mülheim an der Ruhr 2008 | Bernd Brinkmann – Academia.edu
Onkel Wim konnte nicht nur über das „aule Mölm“ erzählen, sondern er hat auch Handfestes hinterlassen, als gelernter Schlosser ein Gesellenstück, das Wirtshausschild das noch heute den Kölner Hof in der Mülheimer Altstadt ziert. Auch bei Balkongittern der Mülheimer Traditions-Konditorei Café Sander soll er mitgewirkt haben. Das Café überdauerte den Bombenkrieg, würde aber heute mitten auf der Leineweberstraße stehen. Also weg damit, die Geländer wahrscheinlich in die Schrottpresse.
Später, Wilhelm Schauenburg war längst tot, erfuhr ich noch, dass Wims Schwiegervater (also mein Großvater) bei der Brauerei Ibing am Heuweg in Saarn gearbeitet hatte, deren ruinöse Mauern 2022 abgetragen wurden. Schon 1968 war die mit vielen Preisen ausgezeichnete Brauerei dem Fusionsprozess in der Branche zum Opfer gefallen und war danach als „Lost Place“ bundesweit bekannt. 1931 hatte Ibing seinerseits die konkurrierende Mülheimer Teutonen-Brauerei von Conrad Fuglsang „geschluckt“. Sein Sohn Heinrich wurde als Brauereidirektor bei Ibing eingestellt. Vater Conrad hatte seine familiären Wurzeln in Hadersleben/Haderslev im dänischen Teil Schleswigs, wo auch Conrads Bruder eine Brauerei gründete, die bis 2021 als älteste Familien-Brauerei Dänemarks galt. Fuglsang – Royalunibrew.dk
Der Autor dieser Geschichte konnte das dänische Fuglsang einmal probieren und erinnerte sich an Onkel Wim, der von Mülheimer Bierfreunden wusste, die das Teutonen-Bräu auch gern „Conrad dünn-dünn“ nannten. Anzumerken ist noch, dass 2009 nach neuem Rezept das einst meistgetrunkene Mülheimer Bier durch Neueinsteiger auf den Markt kam.