Von: Thomas Emons
Dass es in Mülheim eine Luisenschule und eine Prinzess-Luise-Straße, das Luisental und eine an der Friedrichstraße 38 ansässige Freimaurerloge zur verklärten Luise gibt, kommt nicht von ungefähr. Denn als die am 10. März 1776 geborene preußische Königin Luise noch eine kleine Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz war, weilte sie in den Sommermonaten der Jahre 1787, 1789 und 1791 bei ihrer Großmutter Marie-Luise-Albertine von Hessen-Darmstadt. Die war damals, in der Endphase des Absolutismus und des im 10. Jahrhundert gegründeten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation auch Landesmutter der Herrschaft Broich, einer von mehr als 180 Herrschaften des über die deutschen Grenzen hinausreichenden Staatenbundes. Marie Luise galt unter ihren Zeitgenossen als liberale und kluge Herrscherin, die nach dem frühen Tod von Luises Mutter Prinzessin Friederike von Hessen-Darmstadt die Erziehung Luises und ihrer Schwestern Friederike und Therese übernommen hatte. So wuchs Luise in der Darmstädter Residenz ihrer Großmutter auf und wurde dort in Französisch, Englisch, Deutsch, Geschichte, Religion, Klavierspiel sowie Malen und Zeichnen unterrichtet. Als Königin sollte sie später in Berlin auch Zugang zu Literatur und Philosophie erhalten. Über die Broicher Sommerferien der Prinzessin Luise von Mecklenburg Strelitz, die 1797 an der Seite Friedrich-Wilhelm III. als preußische Königin den Thron bestieg, gibt es legendäre Überlieferungen. In ihnen wird die Prinzessin als unbefangen und volksnah geschildert. Sie habe so heißt es etwa, armen Kindern Dinge aus ihrem Besitz geschenkt, Kindern vorgelesen und habe ganz normalen Broichern unverhofft einen Besuch abgestattet und interessiert in deren Kochtöpfe geschaut. Geschichte und Legende. Feststeht. Chronisten beschreiben die junge Prinzessin als unbefangen und verspielt. Sie überliefern die familiären Spitznamen „Unsere tolle Luise“ und „Prinzessin Husch“!
Die Grenzen sind hier fließend. Dennoch hat man der am 19. Juli 1810 an den Folgen einer Lungenentzündung verstorbenen Preußenkönigin ein besonders inniges Andenken bewahrt. Das äußerte sich auch darin, dass man in den ab 1880 angelegten Ruhranlagen eine Luisen-Marmorbüste aufstellte, die wir heute im Schloß Broich betrachten können. In die deutsche Geschichte eingegangen ist die seit 1793 mit Friedrich-Wilhelm III. vermählte Luise vor allem als Bittstellerin, die am 6. Juli 1807 in Tilsit vergeblich versuchte, Napoleon davon zu überzeugen, dem militärisch geschlagenen Preußen milde Friedensbedingungen zu gewähren und im Gespräch mit ihm einräumte: „Der Ruhm Friedrich des Großen hat uns über unsere Mittel getäuscht.“ Napoleon sagte über das Treffen mit Luise: „Sie bot mir gegenüber allen ihren Geist auf, wovon sie viel besaß. Ihr ganzes Benehmen war sehr angenehm und ihre Koketterie war nicht ohne Reiz. Dennoch war ich entschlossen, fest zu bleiben; immerhin musste ich sehr Acht geben, dass ich keine halben Versprechungen machte oder ein zweifelhaftes Wort aussprach.“ Doch der französische Kaiser zeigte, trotz Luises diplomatischer Charmeoffensive, keine Gnade. Im Frieden von Tilsit verlor Preußen die Hälfte seines Territoriums und seiner Bevölkerung. Dennoch wurde die zehnfache Mutter und Königin Luise, ob ihrer Mission, postum zu einer Ikone der preußischen Monarchie und des 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreiches. In den 1920er Jahren warb die Deutschnationale Volkspartei, die die Republik von Weimar ablehnte und die Monarchie der Hohenzollern wieder herstellen wollte auch mit eine Portrait Luises für ihre Wahl. Papier ist bekanntlich geduldig und Tote können sich nicht gegen ihre politische Vereinnahmung wehren. 1931 wurde das Leben der Königin Luise von Preußen in der Regie von Carl Froelich und mit Henny Porten in der Hauptrolle auch für das Kino verfilmt.