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Schachmeister Emanuel Lasker zu Besuch in Mülheim

Emanuel Lasker in Mülheim, Foto bearbeitet, Quelle: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Von: Jens Roepstorff

Am Abend des 1. Mai 1925 war die Mülheimer Schachwelt in heller Aufregung und freudiger Erwartung, sollte doch am nächsten Tag der ehemalige Weltmeister Emanuel Lasker gegen eine Auswahl von lokalen Spielern eine Partie Simultanschach bestreiten. 

„Weltschachmeister Dr. Lasker in Mülheim“ titelte die Rhein- und Ruhrzeitung in ihrer Freitagabendausgabe und kündigte an, dass Lasker, der „den Weltmeistertitel 25 Jahre innehatte, und ihn erst 1921 gegen den jugendlichen Kubaner Capablanca verlor, […] am 2. Mai, abends 7 Uhr im ‚Löwenhof’ zu Mülheim (Ruhr), Eppinghoferstr., an 30 Brettern gegen die stärksten Mülheimer Spieler“ antreten werde. „Da die Spielstärke der Mülheimer Spieler in letzter Zeit beträchtlich zugenommen hat“, so die Zeitung, „ist man in Schachkreisen gespannt, wie Mülheim abschneidet, umso mehr, da Lasker bei Simultanspielen nur ganz wenig Partien verliert.“ 

Emanuel Lasker war zu diesem Zeitpunkt bereits eine Legende. Nachdem er 1894 dem amtierenden Weltmeister Wilhelm Steinitz in einem souveränen Wettkampf den Titel abgenommen hatte, behauptete er diese Position über einen Zeitraum von 27 (!) Jahren und damit länger als jeder andere vor und nach ihm. Erst 1921 musste er den Weltmeistertitel dem Kubaner José Raúl Capablanca überlassen. Auch als Ex-Weltmeister blieb Lasker bei Turnieren und Schaukämpfen weiterhin ein gefragter Mann und erhielt zahlreiche Einladungen, wie die des städtischen Schachverbandes in Mülheim an der Ruhr. 

In seiner abendlichen Eröffnungsrede betonte der Mülheimer Verbandsvorsitzende Carl Esch, dass Lasker vor 15 Jahren schon einmal zu Gast in Mülheim gewesen sei. Damals habe die Mülheimer Schachvereinigung nicht mehr als 15 bis 20 Mitglieder gehabt, sei aber im Laufe der Jahre auf mittlerweile 200 Aktive angewachsen. Nach den dankenden Worten Emanuel Laskers begann schließlich das Simultanspiel an 32 Brettern, an dem sich neben 29 Mülheimer Spielern auch drei Gäste aus Essen beteiligten. Eine detaillierte Schilderung des Abends findet sich in der Morgenausgabe der Rhein- und Ruhrzeitung vom 4. Mai:

„Der Weltschachmeister verstand es, sich allen Lagen anzupassen. Indessen war er später vorsichtiger in seinen Zügen, als man es bei anderen Meistern gewöhnt ist. Durch Positionsspiel suchte er für das Endspiel die bessere Stellung zu bekommen, während Kombination ihm nicht recht lag. Allerdings schien Dr. Lasker übermüdet, was wohl darauf zurückzuführen war, dass er sich durch zu vieles Spielen in den letzten Wochen überanstrengt hatte […] Besondere Erwähnung verdient ein 14jähriger Gymnasiast, der sich bis zum Schluss hielt. Im Laufe des Abends verlor der Weltschachmeister zwei Partien, die eine gegen Gödde jr. vom Stadtverband Essen, die andere gegen Ritzau (Mülheim) […] Bei eintretender Polizeistunde um 1 Uhr nachts wurde das Spiel auf den noch übrigen 11 Brettern abgebrochen. Die dabei erfolgte Abschätzung ergab Remis.“

Insgesamt endete der Abend sehr schmeichelhaft für die Mülheimer Schachgemeinde. Von den insgesamt 32 Partien gewann Lasker 19 bei 2 Niederlagen und 11 Remis. An den Tagen zuvor war Lasker bereits in Essen angetreten (27 Siege, 3 Remis) sowie in Düsseldorf (30 Siege, 2 Niederlagen). Im Vergleich zu den Amateuren der Nachbarstädte hatten sich die Mülheimer damit hervorragend geschlagen.

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