von: Thomas Emons
Ludwina Mevißen wurde 1933 als Tochter eines Rheinschiffers auf dessen Schiff geboren. 1939 kam sie mit ihrer Mutter und ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Georg nach Mülheim an der Ruhr und wurde in der Volksschule an der Trooststraße eingeschult. Seitdem lebt die dreifache Mutter in einem Haus, dass ihr Großvater 1898 am Scharpenberg erbaut hat.
Im Gespräch mit dem Geschichtsverein erinnert sie sich:
„Ich war als Kind nicht so zugänglich zu den Leuten, weil sie für mich fremdes Volk waren. Ich bin damals oft von anderen Kindern gehänselt und an den Haaren gezogen worden, weil ich für sie fremd war und nicht hier hingehörte…
Privatbunker der Familie Stinnes
Dann kam der Zweite Weltkrieg und die Luftangriffe. Auch unsere Volksschule an der Trooststraße, wo wir mit 30 Kindern in der Klasse von unserem Lehrer Denkhaus unterrichtet wurden, hat einen Klatsch abbekommen. Eine Bombe fiel dort ausgerechnet auf einen Neubau, der gerade erst errichtet worden war…Wir haben uns abends gar nicht ausgezogen, sondern uns in voller Montur ins Bett gelegt. Denn abends kamen die alliierten Flugzeuge ja auch gerne. Wir sind dann über die Leonhard-Stinnes-Straße zum Bismarckturm gegangen. Dort befand sich ein Bunker, in den wir über eine Treppe tief unter die Erde hinabsteigen mussten. Die Gänge und Räume im Bunker waren sehr eng und dicht besetzt. Trotzdem haben wir Kinder dort auch schon mal fangen gespielt und wurden deshalb von unseren Eltern zur Ordnung gerufen. Ich kann mich auch an eine Frau erinnern, die im Bunker ein Kind zur Welt gebracht hat und auch eine Nikolausfeier haben wir im Bunker miterlebt. Neben dem Bunker für die normale Bevölkerung gab es unter dem Bismarckturm auch einen Privatbunker der Familie Stinnes. Aus diesem Bunker kam oft die Frau des Stinnes-Justiziars Dr. Sölle zu uns herüber, weil sie lieber mit dem gemeinen Volk zusammensaß, sich mit den Menschen unterhielt und auch gerne eine Zigarette rauchte.
Erinnerung an Hugo Stinnes junior
An den Sohn von Hugo Stinnes (1870-1924) Hugo Stinnes junior (1897-1982) habe ich nur die skurrile Nachkriegserinnerung eines älteren Herrn, der einen langen dunklen Mantel und einen Hut mit breiter Krempe trug, als er eines Tages an der Bismarckstraße an mir vorbeilief, um sich dann in der Straßenmitte auf die Straßenbahnschienen zu stellen und die herankommenden und dann quietschend bremsenden Tram mit erhobener Hand anzuhalten, mit der er in die Stadt fahren wollte…Die meisten Ehemänner und Väter waren im Krieg ja als Soldaten unterwegs. Doch mein Vater wurde als Rheinschiffer nicht zur Wehrmacht eingezogen…Nach dem Krieg wurde gehungert. Doch meine Eltern hatten einen kleinen Schrebergarten an der Kampstraße, so dass wir mit Obst und Gemüse gut versorgt waren…Viele Männer sprangen damals schwarz an den Gleisen auf langsam fahrende Züge, um von dort aus alles Essbare, was sie finden konnten, herunterzuwerfen. Und abends kamen sie dann schwerbepackt wieder nach Hause…
Im Haus des Oberstadtdirektors
Nach meiner Schulentlassung habe ich als Haushaltshilfe bei der Familie Poell gearbeitet, die 1951 in ihr neu errichtetes Haus an der Bismarckstraße eingezogen war. Herr (Josef) Poell war damals Oberstadtdirektor. Ich habe ihn als sehr freundlichen und ruhigen Mann erlebt. Mittags kam er zum Essen nach Haus und legte sich anschließend auf eine Couch, um sich auszuruhen, ehe er wieder von einem Fahrer abgeholt und ins Rathaus gebracht wurde. Ich erinnere mich daran, dass er seine Frau Irmgard oft zur Seite genommen hat, um ihr zu erzählen, was wieder im Rathaus nicht so gelaufen war, wie es sollte. Er hatte es offensichtlich nicht leicht im Rathaus. Ich habe aber nie nachgefragt. Ich hätte gerne noch länger für ihn gearbeitet. Aber er hat leider nicht mehr lange etwas von seinem neuen Haus gehabt, weil er schon 1953 verstorben ist.“
