Verleihung des Chemie-Nobelpreises an Karl Ziegler

Karl Ziegler beim Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Mülheim (Quelle: Stadtarchiv)

Von: Thomas Emons

Die Lokalausgabe der WAZ vom 11. Dezember 1963 lobt: „In Professor Zieglers Arbeiten liegt etwas Revolutionäres“. Am Tag zuvor hat der schwedische König Gustaf VI. Adolf dem Leiter des Mülheimer Max-Planck-Institutes für Kohlenforschung, Karl Ziegler, im Stockholmer Konzerthaus den Chemie-Nobelpreis überreicht, den sich Ziegler mit seinem italienischen Kollegen Giulio Natta teilt.

Tatsächlich hat die Forschungsarbeit des Chemie-Professors, der das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung von 1943 bis 1969 leitete, unsere moderne Welt revolutioniert. Der nach Ziegler und Natta benannte Katalysator ermöglicht die Massenproduktion von Polyethylenen und Polypropylenen. Er schafft damit die Grundlage für eine industrielle Kunststoffproduktion, die bis zur scheinbar banalen Plastiktüte unseren gesamten Alltag durchzieht. Bis heute leisten die finanziellen Erträge der Zieglerschen Forschungsarbeit einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung des Max-Planck-Institutes für Kohlenforschung.

Allerdings investierten Ziegler und seine Frau Maria nicht nur in die Wissenschaft, sondern auch in eine beachtliche Sammlung von vor allem impressionistischen und expressionistischen Gemälden, die bis heute das Kunstmuseum der Stadt ziert.

Gerade diese ungewöhnliche Verbindung von naturwissenschaftlichem Forscher- und Schöngeist sieht auch der ehemalige Leiter des Karl-Ziegler-Gymnasiums  Werner Andorfer als Ansporn, nicht nur das naturwissenschaftliche, sondern auch das musische Profil der seit 1974 nach Ziegler benannten Schule zu stärken.

Dass eine Schule seinen Namen trägt, hätte dem 1973 verstorbenen Nobelpreisträger bestimmt genauso gut gefallen wie die Aussicht auf einen Fachhochschulstandort Mülheim. Er selbst erlebte 1972 noch mit, wie Mülheims damalige Bewerbung für eine Gesamthochschule scheiterte, die dann in Essen errichtet wurde.

Schon neun Jahre zuvor, als Ziegler am 5. November 1963 die Nobelpreis-Nachricht aus Stockholm bekommt, sind es nicht nur die Mitarbeiter seines Institutes, sondern auch Mülheimer Schüler, die den Professor mit einem Fackelzug ehren. Ziegler spendiert Bonbons und Freibier und stellt fest: „Vor allem aber bin ich stolz darauf, dass die jüngere Generation mehr und mehr zur wissenschaftlichen Forschung drängt. Daher freue ich mich über den Nobelpreis auch besonders, weil ich ihn als Auszeichnung aller meiner Mitarbeiter in Büros, Laboratorien und Werkstätten entgegennehme. Ich gebe die Ehrung weiter an sie alle.“

Seine Mitarbeiter sind es denn auch, die am Nachmittag des 10. Dezembers 1963 dienstfrei bekommen, um das große Ereignis in Stockholm am Fernseher zu verfolgen. Weil es damals noch keine Videorecorder gibt, scheuen sie keine Kosten und Mühen, um die Fernsehsendung nicht nur anzuschauen, sondern mit einer Filmkamera und einem Magnettongerät auch für die Nachwelt festzuhalten.

Wenige Tage nach der Verleihung des Nobelpreises werden Ziegler und seine Frau in der Bonner Villa Hammerschmidt vom Bundespräsidenten Heinrich Lübke empfangen. Und die Stadtverordneten seiner Wahlheimat Mülheim küren den 1898 in Kassel geborenen Ziegler am 20. Dezember 1963 zum Ehrenbürger.

Bleibt noch nachzutragen, dass die Mülheimer Bürgergesellschaft „Mausefalle“ Professor Karl Ziegler bereits ein Jahr vor der Nobelpreisverleihung mit der Ehrengabe „Jobs, der Kandidat“ ausgezeichnet hatte.

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